Mörderische Landschaften - Kriminelles aus dem Osten
meinem Hause passiert. Wie kamen Sie zu dem Tondokument, wer zeichnet denn so was auf?«, fragte er Walter.
»Ich befürchte, das gehört auch zu den Dingen im Haus, die sich Ihrer Kenntnis entziehen. Als ich in der Tonabteilung routinemäßig und ohne viel Hoffnung nach Bändern fragte, auf denen möglicherweise die Pause aufgezeichnet ist, nannte man mir den Namen eines Kollegen, der Fürze sammelt. Er stellt in der Pause ein Bühnenmikrofon auf Aufnahme, da er die Erfahrung gemacht hatte, dass Bühnenarbeiter, aber auch Mitglieder Ihres künstlerischen Teams, wenn sie sich alleine dünken, auf der Bühne einen Furz lassen. Und die zeichnet der besagte Mann nun auf. Das Band von gestern hatte er sich noch nicht angehört.«
Der Theaterdirektor ließ sich nichts anmerken. Er reichte beiden die Hand. »Da ist Ihre Mission nun erfolgreich beendet. Sie können zufrieden sein. Ich habe jetzt sehr viel zu tun, entschuldigen Sie mich bitte.«
Mosine Klipp und Matthias Walter sahen ihm nach, dann drehten sie sich um und gingen gemeinsam in den Park.
»Haben Sie Auster gesprochen?«, fragte sie.
»Der ist völlig zusammengebrochen.« Der Inspektor holte tief Luft. »Ilona hat ja angedeutet, dass sie zu ihm zurück will, und er hat nie aufgehört, sie zu lieben.«
Mosine war angenehm berührt, wie achtungsvoll Walter von der Liebe des Technikers sprach. Sie zwang sich, das Thema zu wechseln. »Der Direktor ist wahrlich nicht zu beneiden.«
Walter grinste. »Ob der auch manchmal über die Bühne geht?«
Mosine grinste ebenfalls. »Und denkt, er ist ganz allein? Schon möglich.«
»Deorettisch«, versuchte sich Walter erneut im Sächsischen.
Leipziger Markttag
VON HENNER KOTTE
Diese Frau ist nie pünktlich! Elf fünfundvierzig war vereinbart. Dreiviertel zwölf sollte sie hier auf der Bank sitzen. Nein, Ilse sitzt noch nicht auf der Bank. Der schlägt keine Stunde. Mein Gott, jede Sekunde zählt. Gut, stelle ich mich am Wagen für Wurstwaren an. Constanze und die Kinder haben sich wochenends angesagt. Da darf der Kühlschrank nicht leer sein. Enkel erwarten von Oma immer das Beste, und ich bemühe mich, es ihnen zu geben. Auch das ist Abwechslung in einem Alltag, der spannend nicht ist. Und Ilse verpasst den Termin! Ich ärgere mich.
»Vierhundert Aufschnitt. Apfel-Zwiebel-Schmalz …«
Die Bedienung guckt, als würde ich chinesisch sprechen. Ich trommle mit den Fingern aufs Glas über der Auslage. »Apfel-Zwiebel-Schmalz!« Dann verstehe ich mein eigenes Wort nicht.
Martinshörner töten alle Gespräche und jedes Geräusch. Blaulichter umkreisen den Markt. Die Kunden stehen erstarrt. Verkäuferinnen verschwinden in ihrem Kiosk. »Bitte bewahren Sie Ruhe«, tönen die Lautsprecher. »Bitte bewahren Sie Ruhe!« Ich umkrampfe die Tasche. Plötzlich bricht der Krieg aus. Polizisten in Uniform stürmen den Platz und fordern mit Nachdruck, zu gehen. »Bitte verlassen Sie den Markt. Bitte verlassen Sie den Markt! Keine Panik.«
Erste Frauen beginnen zu schreien. Andere rennen ohne Sinn und Verstand. Manche unterbrechen nicht mal den Einkauf. Ich bitte das Mädchen, mir meine Bestellung zusammenzupacken. »Apfel-Zwiebel-Schmalz nicht vergessen!«
Aber die Verkaufskraft ist zu keiner Handlung mehr fähig. Schinkenspeck schmilzt in ihrer Hand. Der Mund steht ihr offen. Der Polizist spricht in hartem Ton.
»Bombendrohung im Alten Rathaus. Wir bitten Sie, den Platz zu verlassen.« Er versucht sogar zu lächeln.
Die Verkäuferin legt in Zeitlupe den Schinkenspeck aus der Hand und wischt sich am Tuch. Dann zieht sie das Rollo vor ihre Theke. Prrrloppp.
Ich stehe davor und habe kein Apfel-Zwiebel-Schmalz kaufen können, und der Polizist führt mich behutsam hinter die rot-weißen Bänder, die lustig im Wind flattern. Polizei kann ich lesen. Sie sperren den Markt. Die Blaulichter blinken. Die Lautsprecher tönen: »Bitte bewahren Sie Ruhe.«
Natürlich: Jetzt sitzt Ilse auf der Bank, ein bissel außer Atem. Sie lächelt, hat mir ein Plätzchen neben sich freigehalten und rückt zur Seite. Ich quetsche mich neben sie. Es ist nicht gemütlich, denn Passanten versperren die Sicht. Sie bilden Trauben. Gerüchte werden geflüstert. Terroristen haben den Anschlag geplant und wollten das Museum sprengen. Mitten in der Stadt, das bringt Schlagzeilen und viele Tote.
Eine Mutter weint und schreit: »Mein Kind, oh, mein Kind!« Trotz oder wegen ihrer Panik halten sie die Polizisten zurück. »Bitte bewahren Sie
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