Mörderische Landschaften - Kriminelles aus dem Osten
die Honorarrechnung überreichte. Das gab den Ausschlag.
»Wann soll das Ding starten?«
»Nächsten Donnerstag. Ich besorg’ auch noch einen Wagen. Wir mischen uns unters Publikum, nach einer halben Stunde sind wir fertig und haben schnelles Geld gemacht.«
Wir besiegelten den Coup mit einem Handschlag und einem weiteren Bier.
Wie verabredet, trafen wir uns am Donnerstag auf dem Kauflandparkplatz. Silvio kam mit einem älteren VW-Golf.
»Das ist aber nicht gerade standesgemäß«, meinte ich. »Als Kieferorthopäden sollten wir uns eigentlich etwas Besseres leisten können.«
»Was anderes hatte Cabrio-Kalle nicht auf Lager«, meinte Silvio. »Wir müssen damit vorlieb nehmen. Wir parken einfach etwas abseits.«
Cabrio-Kalle? Ein Kumpel von Silvio? Das ging ja gut los. Ich kannte ihn flüchtig. Er war von oben bis unten tätowiert und hatte ein prachtvolles Nasenpiercing. Cabrio-Kalle hatte seinen Laden, genauer gesagt einen alten Wohnwagen, am Rande der Stadt. An- und Verkauf von Gebrauchtwagen aller Art. Da gingen die merkwürdigsten Typen ein und aus. Wahrscheinlich war das Fahrzeug gestohlen.
Silvio bemerkte meinen skeptischen Blick. »Keine Sorge. Ich habe Papiere für das Auto.«
»Na, dann wollen wir mal. Mach mal den Kofferraum auf, ich will meine Jacke ausziehen. Nicht, dass das gute Stück noch knittert.« Ich hatte mein letztes Geld für ein elegantes Sakko ausgegeben. Wir wollten ja standesgemäß auftreten. Auch Silvio hatte sich in Schale geworfen.
Silvio fingerte am Schloss herum. »Das Teil klemmt irgendwie. Schmeißen wir die Sachen einfach auf den Rücksitz.«
Schließlich fuhren wir los. Silvio hatte im Internet die Route berechnen lassen und die Seiten ausgedruckt. Ich fungierte als Co-Pilot und gab die Anweisungen. Über die Landstraße würden wir etwa eine Stunde brauchen bis in die Nähe von Quedlinburg. Es war ein sonniger Tag, rechts und links lagen die grünen Hügel des Harzes. Ein richtiger Bilderbuchtag. Ich genoss die Fahrt auf der Landstraße.
Schließlich mussten wir abbiegen, um zu dem Ort zu gelangen, wo die Gaststätte lag. Hier wurden die Straßen immer kleiner und enger, eine ziemlich abgelegene Ecke, und ich musste mich auf die Route konzentrieren.
»An der nächsten Kreuzung rechts, dann müssten wir es geschafft haben.« Ein hellblauer Trabbi überholte uns. Hoffentlich war das nicht einer von Silvios hochkarätigen Zahnärzten, dachte ich, hielt aber lieber meinen Mund. Wir fuhren fast endlos einen schmalen langen Weg, der nur von Waldstücken und Feldern umsäumt war. Eine wirklich einsame Ecke.
»Das muss es sein«, meinte Silvio schließlich. »Geh doch mal vor, die Lage peilen.«
Mit dem Routenplaner in der Hand ging ich bis zum Ende der Straße. Dort entdeckte ich einen Flachbau, in DDR-Grau mit einem roten, verblassenden Schriftzug: HO-Gaststätte Zur Harzer Hexe. Ich winkte Silvio heran. »Hier sind wir richtig.«
Die Zettel entsorgte ich in einem Mülleimer, den Weg zurück würden wir auch so finden. Dann ging ich einmal ums Haus und sah den Parkplatz. Da standen die Luxusautos der Kieferorthopäden. Mercedes, Audi, BMW. Sogar zwei Porsche. Das war mitnichten ein Betriebsausflug von Polizisten. Silvio hatte den VW etwas abseits bei einer Hecke geparkt.
Wir zogen uns die Sakkos an, richteten noch mal unsere Krawatten, und Silvio erklärte den genauen Ablauf des Abends, den er im Internet recherchiert hatte. »Also zunächst gibt es einen Begrüßungsdrink. Danach wird man dann vom Ober platziert. Aber keine Angst, man kann sich hinterher wieder da hinsetzen, wo man will. Im Anschluss daran gibt es die Vorspeise. Wie immer Soljanka. Danach tritt ein Vopo, also ein Volkspolizist, auf und erzählt alte DDR-Witze. Schließlich kommen der Hauptgang und die Nachspeise. Danach erscheint dann einer als Grenzer und macht mit den Gästen Zwangsumtausch. Das soll immer besonders lustig sein. Unseren Job müssen wir dann natürlich schon erledigt haben. Und zu guter Letzt tritt ein FDJ-Mädel auf die Bühne und macht einen Striptease, aber da sind wir ja schon wieder weg. Schade eigentlich.«
Wir betraten die Gaststätte. Tatsächlich sah hier alles noch wie früher aus. An der Wand hingen Tapeten mit großen braunen Rauten auf beigefarbenem Untergrund, und natürlich durfte auch ein Bild von Erich Honecker nicht fehlen. Im Vorraum stand ein Metalltisch mit einer hochglanzpolierten Platte aus Holzimitat, daran Metallstühle mit einem abgewetzten
Weitere Kostenlose Bücher