Mörderische Landschaften - Kriminelles aus dem Osten
überrumpelt hatte und die Nichte auszubooten trachtete, stellte Inger ihn zur Rede und verwies auf Verträge, die nur sie berechtigten, im Einvernehmen mit Sandra Kirsten deren Grundstücke feilzubieten. Ihre Tante spielte für sie keine Rolle. Sie hätte sie hemmungslos betrogen, aber als sie merkte, dass auch sie selbst nur eine Karte in Meyerleins Spiel war, setzte sie ihm zu.
»Woher wussten Sie eigentlich von Meyerleins hiesigen Geschäften?«, fragte Rauchbär den sächsischen Ermittler später.
»Ist doch überall dasselbe Spiel«, erwiderte dieser. »Nachdem von Grundstücken die Rede war, haben bei mir alle Glocken geklingelt.«
»Und woher wusste Meyerlein, wo dieser Milz sich aufhielt, um ihm die Tat in die Schuhe zu schieben?«, bohrte Rauchbär weiter nach.
»Nu, er hat gepokert, der Gutste«, erklärte der Sachse. »Er hat wohl gemerkt, dass sich da eener in der Laubenkolonie eingenistet hat.«
»Dann war es Glück für Meyerlein, dass Milz immer einen Mord zu gestehen hat.« Rauchbär kratzte sich nachdenklich die Stirn. »Und Pech, dass die Methode nicht passte. Sonst hätten Sie den Meyerlein nie überführt …«
»Wenn Sie dem nicht so auf die Nerven gegangen wären, hätten wir ihn nicht so leicht aus der Reserve locken können«, sagte Anders. »Sie hatten den richtigen Riecher.«
»Das kommt vom frischen Fisch und der guten Seeluft«, spöttelte Rauchbär. »Die reinste Sachsen-Mafia, und das hier, an der Ostsee. Aber gut, alle Ossis sächseln, nu?«
Die beiden anderen guckten ihn überrascht an.
»Nu gloar«, imitierte der Berliner.
Nie wieder mit Silvio!
VON RUTH BORCHERDING-WITZKE
Ich hatte schon gleich ein ungutes Gefühl. Ich saß gemütlich in der Ecke in meiner Lieblingskneipe am Bernburger Markt, als Silvio auftauchte. Er spendierte mir ein Bier und fragte mich dann: »Hey Mann, wollen wir nicht wieder mal einen Job zusammen machen?«
»Hmm«, sagte ich ausweichend. Ich hatte nicht so gute Erfahrungen mit seinen Jobs gemacht. Wir hatten vor Jahren mal zusammen gearbeitet und das hatte mir ein paar Monate Gefängnis eingebracht. Er war der Spezialist im Ablenken und ich für die Brieftaschen in den Hosentaschen. Einige Male war das auch gut gegangen, bis Silvio die Idee hatte, es mal auf der Bad Harzburger Pferderennbahn zu versuchen. Wer auf Pferde wettet, hat viel Bargeld dabei. Das hatte logisch geklungen. An diesem Tag machte aber ausgerechnet ein Polizeirevier seinen Betriebsausflug dorthin, und die hatten nicht viel Bares, dafür aber Handschellen dabei.
»Hmm«, sagte ich noch mal.
»Da können wir richtig Kohle machen«, raunte Silvio mir zu. »Oder brauchst du kein Geld?«
»Hmm«, sagte ich nun schon zum dritten Mal. »Wer kann darauf schon verzichten?« Tatsächlich war ich in der Klemme. Ich hatte eine Menge Schulden. Richtig viel bei Frau Dr. Wedekind, die mir gerade ein neues Gebiss verpasste.
»Ich habe einen heißen Tipp, wo wir fette Beute machen können. Da gibt es so ein Event, oder wie das heißt, da können wir richtig absahnen.«
»Nun rück raus mit der Sprache«, forderte ich ihn auf. »Mein Bier wird schon schal.«
»Ostalgieparty!«, schmetterte mir Silvio entgegen.
»Ostalgieparty? Was ist das denn?«
»Mann, das kennst du nicht? Da gibt’s alles von früher aus DDR-Zeiten. Essen und Trinken und die alte Musik.«
DDR-Zeug? Das sollte Knete bringen? »Wer veranstaltet denn so eine Party?«
Silvio winkte nach der Bedienung und bestellte nach. »Mann, das wird professionell aufgezogen.« Er senkte seine Stimme. »Da gibt es im Harz so ein Lokal, die machen das zweimal die Woche. Da musst du richtig Eintritt für bezahlen. Viel Knete. Und dafür sitzt du dann da in der Kneipe. Ist noch alles so wie früher, die Tische und Stühle, sogar das Alubesteck. Und das Essen ist auch so wie früher. Soljanka, Steak au four, Schwedeneisbecher. Und dann treten da Schauspieler auf, als Volkspolizisten, Grenzer, FDJ-Mädels und so.«
»Und wer bucht so etwas?«
»Das ist für Firmen und so. Beliebte Sache für Betriebsausflüge.«
»Betriebsausflug? Nee, Silvio, nicht noch mal und nicht mit mir. Vergiss es!«
Die Bedienung brachte das Bier.
»Diesmal ist alles anders. Keine Bullen. Ich habe einen heißen Tipp. Alles hochkarätige Kundschaft, mit richtig fetten Brieftaschen, Kieferorthopäden.«
Kieferorthopäden! Da fiel mir das mitleidlose Lächeln meiner Dr. Wedekind ein, das sie immer aufsetzte, wenn sie mir eine Spritze gab oder
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