Mörderische Landschaften - Kriminelles aus dem Osten
ihm klar, wie absurd die Situation eigentlich war: Oskar und er hatten den gestohlenen Kahlbutz wieder an den Ort des Diebstahls zurückgebracht und saßen nun ausgerechnet hier in der Falle.
»Wir haben eingesehen, dass wir uns falsch verhalten haben«, log er schamlos. »Deswegen bringen wir den Ritter zurück. Es tut uns wirklich schrecklich leid. Auch das mit dem Schlag auf den Hinterkopf natürlich.« Er sah Hannes Holbein zerknirscht an. »Ich schlage vor, wir legen den Kalle einfach zurück und dann …« Er drehte sich zum Sarg um, stockte, als er erkannte, was bereits darin lag und musste trotz der Situation grinsen. Hannes warf ihm einen bösen Blick zu. Sofort wurde Bruno wieder ernst und rief: »Los, Oskar, raus mit der Ersatzmumie, rein mit dem Kahlbutz!«
Ludger Holbein war von dem Aktionismus, den die beiden Diebe nun an den Tag legten, so überrascht, dass ihm für einen Moment die Worte fehlten. Er wollte gerade zu einer Erwiderung ansetzen, da vernahm er in seinem Rücken ausländisch klingende Stimmen. Ein Pulk von Japanern drängte sich schwatzend an ihm vorbei in das Gewölbe.
»Ruhe«, rief er. »Das hier ist ein geweihter Ort der Kirche.« Und da er sich nicht anders zu helfen wusste, begann er einfach mit seinem üblichen Vortrag über den Kahlbutz. Unterbrochen von kleinen Pausen, in denen die Dame mit dem roten Kleid seine Sätze ins Japanische übersetzte, referierte er über den Ritter, der gar keiner war, sondern nur so genannt wurde, und der einfach nicht verwesen wollte.
Bruno drückte sich dicht an die Wand der Krypta, im Arm die knittrige, halbaufgeblasene Gummipuppe, die sie gerade noch rechtzeitig gegen die echte Mumie ausgetauscht hatten. Zentimeter für Zentimeter schlich er nun zusammen mit Oskar hinter dem Rücken der Japaner auf den Ausgang zu, als sich plötzlich jemand aus der Gruppe umdrehte und ihnen den Weg versperrte.
Während Bruno sich noch über das Vollmondgesicht des gar nicht so asiatisch wirkenden Mannes wunderte, sprang Oskar vor, zog mit beiden Zeigefingern seine Augenlider zu schmalen Schlitzen, deutete mit seinem Kinn in Richtung Gummipuppe und fragte: »Wollen kaufen Mumie?«
Der Mann grinste kurz, schüttelte dann aber den Kopf. »Sandmann«, sagte er. »Valentino Sandmann, Hauptkommissar auf Urlaub. Und die hier …« Er schwenkte zwei Handschellen durch die Luft, die leise klirrend aneinanderschlugen. »Die habe ich immer dabei. Berufskrankheit quasi.«
Der Schatz im Jonastal
von UWE SCHIMUNEK
Lothar Wucht folgte seinem Schatten in die Höhle. Das Licht, das von draußen hereinschien, wurde schwächer, tauchte die Grotte in das Schwarz-Weiß eines Fritz-Lang-Films. Unter den Sohlen knirschte der Sandstein. Jetzt müsste nur noch Dr. Mabuse lachen, dachte Wucht.
Er kramte in seiner Hosentasche nach der Taschenlampe. Seit diese LED-Funzeln mit einem winzigen Akku auskamen, verschwanden sie zwischen Schlüsseln, Cent-Münzen, Handy und Zigarettenschachtel. Da. Wucht nahm die Lampe, drückte den Knopf. Die Höhle vor ihm wirkte in dem weißen Lichtkegel wie Metropolis nach einem Luftangriff.
Er ging ein paar Schritte, bis der Weg sich gabelte.
In der Hemdtasche lag der Mail-Ausdruck. Wucht nahm den Zettel, faltete ihn auseinander, las noch einmal:
Sehr geehrte Medienvertreter,
ich darf Ihnen einen sensationellen Fund ankündigen. Bitte kommen Sie heute gegen 11.00 Uhr ins Jonastal. Parken Sie nach der sechsten Brücke auf der linken Seite in Fahrtrichtung Crawinkel. Gehen Sie über die Straße und nehmen Sie den Weg zur zweiten Böhlershöhle. In der Höhle nehmen Sie an der Gabelung den linken Weg und gleich darauf erneut den Weg nach links. Nach ein paar Metern erwarte ich Sie in einem Gewölbe. Machen Sie sich auf eine unglaubliche Entdeckung gefasst.
Mit freundlichen Grüßen,
Günter Schober
Heimatforscher
Wucht steckte das Papier wieder in die Hemdtasche, lief nach links, leuchtete die Wand ab, hielt die Funzel nach vorn. Der Weg schien das Licht der Taschenlampe zu verschlucken, kein Ende zu erkennen. Er ging weiter, musste sich bücken, so niedrig hing der Fels über seinem Kopf.
Der Weg führte leicht bergan. Außer dem Knirschen seiner Schritte gab es keine Geräusche. Mit viel Auflauf hatte Wucht nicht gerechnet, als er sein Fahrrad vor der Höhle anschloss; aber gar kein Kollege von den richtigen Medien, kein Auto auf dem beschriebenen Parkplatz … seltsam.
Schober galt als Sonderling,
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