Mörderische Landschaften - Kriminelles aus dem Osten
»Und deswegen waren Sie beide hier?«
Wucht nickte, Mandy Gunkel auch.
»Wie gut kannten Sie das Opfer?«
»Ich habe den Mann noch nie persönlich getroffen«, sagte Wucht. »Ich kannte ihn nur von Fotos, aus Artikeln, Büchern und E-Mails.«
Mandy Gunkel fuhr fort: »Ich habe ihn ein paar Mal für den ›Wochen-Telegraf‹ porträtiert. Und für das Stadtmagazin ›Zack‹ … Ich hab’ ihn vielleicht fünf, sechs Mal gesehen. Und seine Bücher gelesen. Ich glaube, er kam gern zu mir, weil er sich ernst genommen fühlte.«
Der Kommissar schaute zu Mandy Gunkel, als sei er ein Priester und erwarte die Beichte: »Bei Ihren Artikeln, sind Sie da auf Gegner gestoßen, oder gab’s sonst was Auffälliges?«
»Da war natürlich Professor Friese … Kein Artikel über Schober ohne einen Lesebrief. Friese ist Historiker im Ruhestand, sucht auch nach dem Bernsteinzimmer. Er hielt Schober für einen Spinner. Und das mit Nachdruck.« Mandy Gunkel überlegte, strich sich dabei über die blonden Locken im Nacken. »Und da ist vielleicht noch etwas. Schober wurde von seinem Sohn finanziert. Er wollte nie, dass ich das schreibe.«
Der Kommissar schrieb etwas auf seinen Block, fragte dann: »Glauben Sie, dass Herr Schober da drin das Bernsteinzimmer gefunden hat?«
»Um ehrlich zu sein, nein.«
Der Kommissar steckte den Block ein, zog einen Stapel Visitenkarten aus dem Jackett, gab Mandy Gunkel eine. Dann überreichte er Wucht eine Karte, als verschenke er ein Kleinod.
»Sie werden die nächste Zeit nicht verreisen. Und anrufen, wenn Ihnen etwas zum Fall ein- oder auffällt.« Die Worte klangen, als versuche das Eichhörnchen mit Namen Fuchs zu brüllen wie ein Löwe.
»Natürlich bleiben wir«, sagte Mandy Gunkel. »Das ist eine Geschichte. Die können wir uns als Journalisten gar nicht entgehen lassen.«
Lothar Wucht stellte sein Mifa-Klapprad am Erfurter Rathaus ab. Das Schloss klemmte. Es hatte 4,95 Euro gekostet und wahrscheinlich den Wert des Fahrrades verdoppelt.
Mit ein bisschen Gewürge bekam er das Schloss fest. Er lief Richtung Krämerbrücke. Die Cafés waren ziemlich voll, dafür, dass früher Nachmittag mitten in der Woche war.
Er ging gern in die Café-Meile zwischen Rathaus und Krämerbrücke, hier hatten die Läden freies W-Lan, und er konnte sich mit seinem Netbook und der Thermostasse von Zuhause in die Fußgängerzone setzen und im Internet surfen. Wegen der Verabredung mit Mandy Gunkel musste er einen Platz auf dem Freisitz neben den Arkaden suchen.
Nur noch Plätze am Fußweg; Wucht versank in einem der quaderförmigen Sessel, klappte den Billig-Rechner auf. Seine Ex hatte ihm die Kiste im letzten weihnachtlichen Westpaket mitgeschickt, weil die Tochter ein besseres benutzte.
»Sie arbeiten?« Mandy Gunkel trat ins Licht, als spiele sie Sonnenfinsternis.
»Das ist eine Definitionsfrage.«
Mandy Gunkel guckte Fragezeichen durch die Luft.
»Nun im Sinne des Tätigkeitverrichtens arbeite ich, es trägt allerdings nicht zur Erweiterung meiner Erwerbsbiografie bei. Abgesehen davon, dass Sie pünktlich sind und ich so nicht einmal Zeit gehabt hätte, etwas zur Steigerung des Bruttosozialproduktes beizutragen. Aber setzen Sie sich doch.« Wucht fragte sich, warum er so gestelzt redete. Wollte er ihr imponieren? Einer Frau, die mit Vornamen Mandy hieß? Andererseits schmückte sie den Tisch, sogar die Kellnerin ignorierte ihn nicht mehr.
Sie bestellten Milchkaffee zu einem Preis, für den Wucht beim Discounter erhebliche Lagerbestände an gemahlenem Filterkaffeepulver bekommen hätte.
»Herr Wucht, ich habe Ihren Blog gelesen. Er ist etwas … harsch.«
Er überlegte, ob das eine Kritik war, kam aber zu keinem Ergebnis.
»Ich meine, warum hat Herr Schober Sie in die Grotte eingeladen?«
In der Tat, das fragte Wucht sich ebenfalls. »Ich kann da auch nur ins Blaue raten … Vielleicht liegt es an dem Blog-Eintrag, in dem ich die Zeitungen kleinbürgerliche Informations-Verhinderungs-Anstalten genannt habe? Da denken schräge Vögel mit Hang zur Esoterik manchmal, ich sei einer von ihnen.«
»Sind Sie nicht?« Mandy Gunkel guckte ihn erleichtert an.
»Ich war Ingenieur für Datenverarbeitung beim Mikromurks-Kombinat, Metaphysik überlass’ ich den Wessis.«
Die Erleichterung in Mandy Gunkels Blick wich Befremden, sie sah aus, als habe sie aus Versehen Knoblauchpulver statt Milchpulver in den Kaffee getan.
»War nur ein Scherz …« Beinahe hätte er angeführt, dass
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