Mörderische Lust: Erotischer Thriller (German Edition)
aber nicht, dass ich mich darüber ärgere, warum ich mich in der Anwesenheit von David nicht beherrschen konnte. In dem Moment, wenn ich mit den Erinnerungen meines sexuellen Missbrauchs im Kindesalter konfrontiert werde, werde ich in meinem Agieren blockiert. Ich hasse es, meiner eigenen Willkürlichkeit zu unterliegen. Ich bin lange genug vor der Wahrheit geflohen, ich will es wissen. Ich muss die Kontrolle behalten. Deshalb habe ich zugestimmt, zu einer Psychologin zu gehen. Es geht schließlich zunächst einmal gar nicht um eine therapeutische Sitzung, sondern eher um eine Aufklärung über die Folgen eines Missbrauchs. Um David zu zeigen, wie wichtig mir die Sache ist, habe ich es zur Bedingung gemacht, dass er mich begleitet. Natürlich nicht ohne Hintergedanken. Er soll doch sehen, welches Vertrauen ich zu ihm habe. Letztendlich darf er mir nie misstrauen und nie an meiner Authentizität zweifeln.
„Sie sind also Davids Freundin. Und wenn ich es bemerken darf, sind Sie genau so hübsch, wie mir berichtet wurde. Bitte, Frau Fenske, David.“
Die Psychologin deutet auf eine Sitzgruppe mit drei Stühlen und einem kleinen Tisch.
Frau Riegler-Seethaler spricht mit einer sehr weichen angenehmen Stimme. Sie hat etwas an sich, das sie sympathisch macht. Sympathie ist nicht gerade eine Eigenschaft, die ich im Allgemeinen für jemanden empfinde. Genauso wenig empfinde ich wirkliche Antipathie. Mir sind die meisten meiner Mitmenschen doch völlig egal. Ich weiß aber, warum ihre Stimme mir so angenehm erscheint. Sie erinnert mich an meine ehemalige Betreuerin, Monika, die das Jugendamt mir zur Seite stellte im Rahmen einer Maßnahme, die sich Betreutes Jugendwohnen nannte. Sie war die erste Person, die mir einen, wenn auch nur ansatzweise, gewissen Grad eines Gefühls von Geborgenheit verlieh. Ganz anders als meine eigene Mutter, meine Pflegeeltern oder das Personal in den Kinder- und Jugendheimen.
Wir beobachten uns gegenseitig. Sie meinte, gehört zu haben, ich sei hübsch. Hat David ihr das erzählt oder gibt es Tratsch im Polizeipräsidium über den Hauptkommissar und seine sexy Freundin. Ich tippe auf das Zweite. Warum sollte die Polizei anders sein als andere Betriebe? Allein mit seinem tollen Aussehen sorgt David für genug Gesprächsstoff unter den weiblichen Kollegen. Da bin ich mir sicher. Sein charmantes Lächeln, sein Witz und seine Freundlichkeit tun ein Übriges, um die Weiblichkeit in Verzückung zu versetzen.
Die Psychologin schätze ich auf Anfang fünfzig, wobei sie älter wirkt. Eine Haartönung, um die grauen Haarezu decken und ein anderes Make-up würden sie deutlich jünger machen. Ich vermute, dass sie dies durchaus weiß, aber bewusst zu ihrem Alter steht und versucht, nicht irgendetwas zu verbergen. Nun, ihre Gesichtsfalten vermitteln auch etwas Natürliches und gleichzeitig Seriöses. Diese Seriosität wird durch den dunklen Hosenanzug, den sie trägt, unterstrichen. Der lange Gehrock kaschiert die weiten Hüften und dickeren Oberschenkel ganz gut.
„David hat mir kurz davon berichtet, wie Sie reagiert haben, als er über sexuellen Missbrauch an Kindern sprach. Sie und David wollen mehr zu diesem Thema erfahren. Nun, als Polizeipsychologin habe ich natürlich reichlich Erfahrung mit nach Verbrechen traumatisierten Personen. Und, wenn David mich um einen Gefallen bittet, kann ich wohl kaum seinen Wunsch abschlagen.“
Sie lächelt. Ja, David mit seiner durchaus galanten Art wird keine großen Überredungskünste benötigt haben, um mit Frau Riegler-Seethaler so kurzfristig ein Gespräch zu vermitteln.
„Also, wenn ich David richtig verstanden habe, wollen Sie, Frau Fenske, einen Crash-Kurs zum Thema Traumatisierung nach Missbrauch hören. Ich sage Ihnen deutlich, dass dies sicherlich keine Therapie ersetzen kann. Sollten Sie eine Therapie wünschen, dann muss ich passen. Die Therapie an sich gehört nicht zu meiner Arbeit. Aber natürlich kann ich Ihnen eine gute Therapeutin empfehlen, soweit Sie dies wünschen.“
Ich nicke. Ich habe mit David abgesprochen, dass er mein Verhalten Frau Riegler-Seethaler schildern darf.
„Nun gut. Ich lege los. Wenn Sie irgendwelche Fragen haben, zögern Sie bitte nicht, mich zu unterbrechen.“
Ich nicke zustimmend. Die Psychologin lächelt wieder.
„Also, bei einer Traumatisierung nach einem sexuellen Missbrauch im Kindesalter sind die Auswirkungen für das Kind umso größer, je früher die Traumatisierung und je länger anhaltend und
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