Mörderische Lust: Erotischer Thriller (German Edition)
und spezifische Ängste und ein Hilflosigkeitsempfinden sind die psychologischen Folgen oder Begleiterscheinungen dieser Spaltung. Das besonders Problematische an der ganzen Sache ist, wenn eine weitere Belastung hinzukommt. Sei diese Belastung auch noch so klein, kann sie zum Ausflippen führen. Dabei steht die auslösende Situation in keinem Verhältnis zur Reaktion. Sie ist auch normalerweise von anderen Personen überhaupt nicht als eine besondere Belastung zu erkennen. Es kann für den Außenstehenden etwas vollkommen Normales sein, zum Beispiel eine Person, ein Ort, auch ein Geruch oder etwas Ähnliches.“
Ich merke, wie David zu mir schielt. Ja, so ähnlich unverständlich hat mein Verhalten sicherlich auf ihn gewirkt. Das seitliche Schielen ist mir unangenehm, deswegen frage ich erneut nach.
„Ja, ich denke, dass ich das nachvollziehen kann. Aber gibt es denn nicht eine Möglichkeit, damit umzugehen?“
„Sicherlich. Eigentlich ist es am Einfachsten, die traumatisierten Kinder, respektive die späteren Erwachsenen, lernen alles zu vermeiden, was Anspannung und Erregung noch unerträglicher machen und an die auslösende Situation erinnern könnte. Klar, das ist tatsächlich in der Praxis leichter gesagt als getan. Vor allem noch im Kindesalter, wenn einfach vom Intellekt her die Reife zum Verständnis fehlt. Jedoch sorgt in krassen Fällen das Gehirn selbst mit Dissoziation.
Wird das Gehirn total überfordert, sagen wir bei einem extremen, langanhaltenden Missbrauch, wird die ganze Erinnerung komplett verdrängt und ist dem Bewusstsein nicht mehr zugänglich. Diese Personen, hauptsächlich Frauen, können sich an das Ereignis nicht mehr erinnern.“
Ich weiß, wovon sie redet. Ich habe irgendwann meine ganze Kindheit so verdrängt, dass sie in meiner Erinnerung gar nicht mehr existierte. Erst Ereignisse im letzten Jahr haben diese Erinnerungen wieder wach werden lassen.
„Der Körper speichert aber alles genau und reagiert an Stellen, die ihn an das Geschehene erinnern. Es kann also sein, dass eine Körperreaktion, Zittern oder Schweißausbrüche oder Ähnliches abläuft und überhaupt nicht klar ist, was das mit der Gegenwart zu tun hat. Die Auslöser werden in der Fachsprache „Trigger“ genannt, die Erinnerungsbilder, sogenannte „Flashbacks“, hervorrufen. Wie ich bereits sagte, es kann alles Mögliche sein, das zum Auslösen der traumatischen Erinnerung führt. Somit findet sich die Person in der Vergangenheit wieder mit der ganzen Panik, die sie damals erleben musste. Die Frau findet sich in einem alten Film wieder, der nicht abgeschaltet werden kann.“
Ja, genau so war es, als ich unter der Dusche stand. Ich war wie in Trance. In einem Film. In einem Horrorfilm, der nicht enden wollte. Ich muss mich konzentrieren, damit ich jetzt nicht auch in einen Film abgleite.
„Und den Film erlebt sie, als fände die Traumatisierung jetzt statt, mit allen Affekten und Körperreaktionen wie damals?“
„Genau. So passiert es, dass eine Frau aus einem auch für sie selbst nicht erkennbaren Anlass unkontrollierbar ausflippt oder aggressiv wird. Die biografischen Auslöser, Ursachen und Rahmenbedingungen verschwinden aus dem Bewusstsein, sodass nicht klar ist, was die Trigger sind, die einen Flashback auslösen können. Nicht selten ist die Erinnerung an große Teile der Kindheit gelöscht.“
„Ja“, murmele ich vor mir hin, „so ist es.“
Ich kann mich an so viele Sachen aus meiner Kindheit überhaupt nicht erinnern. Ich weiß, dass ich mich früher geweigert habe, mich an Sachen zu entsinnen. Jetzt kann ich es nicht mehr.
„Und gibt es so was wie eine Heilung gegen Traumata? Eine Therapie oder einen Schutz?“
„Nun David, so einfach ist das nicht. Das Trauma lässt sich nicht behandeln, nur die Folgen und der Blick auf das Trauma. Um überhaupt eine Therapie zu beginnen, muss vorher eine Stabilität vorhanden sein. Es muss ein geschützter Rahmen da sein. Schutz durch Liebe und Geborgenheit ist enorm wichtig. Ich denke, das kannst du und sollst du deiner lieben Freundin bieten.“
Sie deutet zu mir und lächelt, bevor sie weiter spricht.
„Aber das negative Selbstkonzept, die Beeinträchtigung durch unzuverlässige oder ambivalente Bindungen und der Schrecken der Erinnerung lösen sich leider nicht von selbst auf, nur weil die betroffene Frau in einer positiven geborgenen Umgebung ist. Trau-matische Erfahrungen haben oft traumatische Erwartungen zur Folge. Das heißt, die Frauen
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