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Moerderische Schaerennaechte

Moerderische Schaerennaechte

Titel: Moerderische Schaerennaechte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viveca Sten
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einem letzten Blick durch das leere Zimmer löschte er das Licht und ließ Marcus Nielsen hinter sich.

Tagebucheintrag Oktober 1976
    Wir sind zu acht in der Gruppe, und wir sehen alle gleich aus mit dem Stoppelhaarschnitt und den grünen Klamotten. Wie ein Haufen Papierpuppen, die nach derselben Schablone ausgeschnitten wurden.
    Die Verwandlung passierte gestern – ich ging als normaler schwedischer Junge mit halblangen Haaren zum Friseur und kam mit sieben Millimeter kurzen Stoppeln wieder raus. Mit einem Haufen Ausrüstung unterm Arm versuchte ich anschließend, unsere Unterkunft zu finden.
    Nicht mal unsere Vornamen dürfen wir behalten, stattdessen werden wir mit Nummer und Nachnamen angeredet. Ich bin Nummer 103. Die Eins steht für den ersten Zug und die Nulldrei für meinen Platz in der Gruppe. Ich bin der Älteste von uns, Andersson ist der Jüngste. Er ist ein Dezemberkind, vielleicht ist er deshalb ein bisschen kleiner als wir anderen. Aber er ist nett, nur ziemlich schweigsam. Er hat das Bett neben meinem.
    Wir sind zwanzig Leute, die sich die Stube teilen, und unsere Etagenbetten stehen dicht nebeneinander, mit kaum einem Meter Platz dazwischen.
    Kihlberg scheint ganz in Ordnung zu sein, genau wie Martinger, der zwei Meter groß und breit wie ein Scheunentor ist. Die anderen sind wohl auch okay, nur zu Eklund habe ich keinen richtigen Draht.
    Alle wirken ziemlich nervös, aber ich habe sämtliche Informationsbroschüren gelesen, die es gibt, und ich weiß, dass die Ausbildung zum Küstenjäger eine stabile Psyche und gute körperliche Kondition erfordert. Nur die Besten werden genommen.
    Ich bin gut vorbereitet.
    Ich habe in den letzten Nächten kaum ein paar Stunden geschlafen. Uns bleiben nur zehn Minuten zum Essen, wir schlingen alles hastig runter und rennen sofort wieder los. Sämtliche Fortbewegung hat im Laufschritt zu geschehen. Wir werden andauernd aus dem Schlaf geweckt, am Ende weiß man gar nicht mehr, ob es Tag oder Nacht ist, man hat vor lauter Übermüdung das Gefühl, als würde man sich durch einen ewigen Nebel bewegen.
    Wir müssen Liegestütze auf den Fingerknöcheln machen, und wenn einer zusammenbricht, heißt es für alle anderen, von vorn anfangen. Wenn einer von uns schlapp macht, müssen alle leiden. Sobald wir einen Fehler machen, werden wir bestraft, und natürlich machen wir grundsätzlich nur Fehler.
    Ich weiß nicht, ob ich das wirklich durchhalte.
    Alles wird kontrolliert und inspiziert, andauernd.
    Bevor ich hierherkam, dachte ich, Inspektion wäre etwas, was die Polizei oder der Zoll machen, aber inzwischen hat das Wort für mich einen ganz anderen Inhalt bekommen. Es bedeutet, dass alles, was einem gehört, immer und immer wieder kontrolliert wird, damit wir lernen, alles in perfekter Ordnung zu halten.
    Wir müssen alle Kleidungsstücke zehn Mal falten, bis sie richtig im Spind liegen. Anschließend reißt der Ausbilder alles wieder heraus und wir fangen noch mal von vorn an.
    Gestern wollten wir gerade zu Bett gehen, als der Unteroffizier plötzlich in der Tür stand. Was bedeutete, Inspektion die halbe Nacht lang. Ich weiß nicht, zum wievielten Mal hintereinander. Ich konnte einfach nicht mehr. Ich merkte, wie mein Hals sich zuschnürte, und kniff die Augen zusammen, damit keiner was merkte.
    Trotzdem bewegten sich meine Füße und ich nahm meine Aufstellung ein, ohne einen Mucks von mir zu geben.
    »Spindkontrolle!«, brüllte der Uffz in mein Ohr, und dann fluchte er über unsere kollektive Unfähigkeit. »Was ist das für ein Saustall! Hier hat preußische Disziplin zu herrschen, und sonst gar nichts, wann begreift ihr Schwachköpfe das endlich!«
    Der Uffz hat nur ein Jahr vor uns angefangen, aber er ist als Stammbesetzung hiergeblieben, »Stammer« nennt sich das wohl. Was bedeutet, dass er das Sagen hat. Egal, welche Befehle er auch erteilt, wir müssen gehorchen.
    Sein Wort ist Gesetz.

Freitag (erste Woche)
    Kapitel 8
    Maria Nielsen saß wieder am Empfang, als Thomas durch die Tür kam. Sie hob die Hand zu einem zaghaften Gruß, als sei es ihr peinlich, ihn schon wieder zu belästigen. Ohne ein Wort streckte sie ihm ein kleines schwarzes Mobiltelefon entgegen.
    Thomas ging zu ihr.
    »Hallo, Maria«, sagte er. »Was haben Sie da?«
    »Das ist das Handy von Marcus. Nach Ihrem Besuch habe ich überall nach dem Laptop gesucht, ich habe das ganze Haus auf den Kopf gestellt. Marcus’ Laptop habe ich nicht gefunden, aber sein Handy lag eingeklemmt im Spalt

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