Moerderische Schaerennaechte
bevor sie verschwand.«
»Ist sie vielleicht bei einer Freundin?«, schlug Margit vor. »Besteht nicht die Möglichkeit, dass sie bei Bekannten übernachtet hat, ohne Ihnen Bescheid zu sagen?«
»Nein. Ich habe alle angerufen, keiner hat sie gesehen.«
Urban Melin wirkte verlegen.
»Wir haben nicht so viele Freunde. Der Umgang mit meiner Frau ist nicht ganz einfach.«
Das war eine merkwürdige Aussage, auf die Thomas vorerst nicht eingehen wollte, aber Margit stutzte. Sie sah Urban Melin forschend an.
»Wie kommt das?«
Melin sah aus, als bereute er, das Thema angesprochen zu haben.
»Annika hat gewisse Probleme, sie ist etwas … labil.«
»Inwiefern labil?«
Es schien, als sei Urban Melin hin- und hergerissen zwischen dem Wunsch, seine Frau zu verteidigen, und gleichzeitig den Ernst der Lage zu verdeutlichen.
»Sie brauchen kein Blatt vor den Mund zu nehmen«, sagte Margit vorsichtig.
»Annika hat Stimmungsschwankungen. Manchmal ist sie sehr deprimiert und gibt sich selbst die Schuld für alles Mögliche, und dann im nächsten Moment explodiert sie in einem Wutanfall und macht alle anderen für ihre Probleme verantwortlich. Es ist schwer vorauszusehen, wie sie reagiert. Sie kann sehr … destruktiv sein.«
Unter Melins einem Auge zuckte ein Nerv.
»Ich habe Angst, dass sie irgendwie zu Schaden kommt«, sagte er.
»Glauben Sie, dass sie sich etwas antun könnte?«, fragte Thomas.
Urban Melin zog ein Taschentuch hervor und trocknete sich die Halbglatze.
»Die letzte Zeit war sehr schwer für uns, deshalb bin ich so besorgt. Wir …«
Er verstummte.
Thomas und Margit warteten ab.
»Wir erwarteten ein Kind«, sagte Urban Melin schließlich, »aber wir haben es vor drei Wochen verloren, und seitdem ist alles noch schlimmer geworden.«
Thomas runzelte die Stirn.
»Vor drei Wochen, sagten Sie?«
»Ja, Mitte September.«
»Entschuldigen Sie, wenn ich nachfrage, aber ich glaube, ich habe Ihre Frau vor etwa einer Woche getroffen. Arbeitet sie nicht in der Apotheke im Farsta Centrum?«
»Ja.« Er wurde plötzlich munter. »Sie ist Apothekerin. Sie hat die Stelle dort schon seit einer ganzen Weile.«
Thomas warf einen Seitenblick zu Margit, die ebenso verblüfft war.
»Als wir sie getroffen haben, war sie schwanger.«
Urban Melin schüttelte resigniert den Kopf.
»Nein, nicht mehr. Sie hatte am Freitag, dem vierzehnten September eine Fehlgeburt. Glauben Sie mir, ich war mit ihr zusammen im Krankenhaus.«
Er begrub das Gesicht in den Händen. Margit beugte sich vor und legte ihre Hand auf seinen Arm.
»Können Sie uns erzählen, was passiert ist?«
Urban Melin antwortete zunächst nicht, so als überlegte er, ob er die Wahrheit berichten sollte. Schließlich begann er zu sprechen. Seine Stimme war tonlos.
»Annika hatte einen Autounfall. Sie ist am späten Abend gegen einen Straßenpfahl gefahren. Ihr selbst ist nicht viel passiert, aber das Lenkrad hat sich in ihren Bauch gedrückt, und das Kind war nicht zu retten. Sie war im fünften Monat.«
Seine Stimme brach.
»Wir hatten es so lange versucht.«
Thomas musste wieder an seinen eigenen Unfall denken, als der Lastzug ihm auf seiner Straßenseite entgegenschlingerte. Er sah Pernilla am Steuer vor sich, als sie mit Emily schwanger war und ihr dicker Bauch fast das Lenkrad berührte.
Es war nicht schwer zu verstehen, warum Urban Melin so blass und hohläugig aussah.
»Ich bitte um Entschuldigung«, sagte Thomas. »Aber es sah wirklich so aus, als wäre Ihre Frau schwanger, als wir sie trafen.«
Annika Melin hatte doch Umstandskleidung getragen? Er hatte sie gefragt, wann es denn so weit sei, und sie hatte ihn nicht korrigiert. Um Weihnachten herum, hatte sie gesagt.
Merkwürdig.
»Wie hat Annika es fertiggebracht, so kurz nach der Fehlgeburt wieder zu arbeiten?«, fragte Margit teilnahmsvoll.
»Annika wollte es so, sie hat gesagt, sie wird verrückt, wenn sie nur zu Hause sitzt und grübelt. Ich konnte sie immerhin überreden, nur noch halbtags zu arbeiten. Aber wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hat, kann man sie nur schwer davon abbringen. Ich glaube, sie hat ihren Kollegen nicht mal von der Fehlgeburt erzählt.«
Er gab einen seltsamen Laut von sich, ein Mittelding zwischen Räuspern und einem erstickten Schluchzen.
»In der Zeit danach war sie noch schwieriger als sonst. Den einen Moment deprimiert und verzagt, und im nächsten wütend und feindselig. Ihre Stimmungen wechseln ständig, man kann unmöglich vorhersehen, wie
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