Moerderische Schaerennaechte
schickt seinen Sohn zum Wehrdienst und bekommt einen Toten zurück.
»Er hat sich erhängt.«
Olle machte eine kurze Pause, als widerstrebte ihm, weiter zu erzählen.
»Man munkelt, dass der arme Junge dazu getrieben wurde«, sagte er schließlich.
»Und wie, glaubst du?«
»Mehr als das habe ich nicht herausbekommen. Es ist immer noch ein heikles Thema. Aber es kursieren Gerüchte, dass bei diesem Todesfall nicht alles mit rechten Dingen zugegangen ist.«
»Jetzt kann ich nicht ganz folgen«, sagte Nora.
Olle Granlund gab ein kurzes Geräusch von sich, das sich anhörte, als hätte er gerade Snus ausgespuckt. Nora konnte direkt vor sich sehen, wie er auf dem Bootssteg in Sandhamn stand.
»Der Junge hatte zwar einen Abschiedsbrief hinterlassen, aber der war auf der Schreibmaschine getippt und nicht unterschrieben.«
Nora überlegte. Bei einem solchen Vorfall war doch sicher die interne Untersuchungsmaschinerie des Militärs angeworfen worden.
»Gab es keine offizielle Untersuchung?«
»Nein, der Soldat wurde im Sarg zu seiner Familie zurückgeschickt. Ihnen wurde nur gesagt, er habe den Druck nicht mehr ausgehalten und sich das Leben genommen. Selbstmord war zu der Zeit ein großes Tabuthema. Ich glaube nicht, dass irgendjemand daran rühren wollte.«
»Die arme Familie.«
»Ja. Er war wohl der einzige Sohn. Sie haben es sehr schwer genommen, heißt es.«
»Und wie ging es für diesen Cronwall weiter?«
»Er fing als Kadett auf der Marineschule an, hat aber die Ausbildung zum Reserveoffizier nicht abgeschlossen. Einige Zeit danach ist er beim Militär ausgeschieden, vielleicht hat man ihm nahegelegt, seinen Abschied zu nehmen. So ging das Gerücht, aber öffentlich bekannt wurde davon nichts.«
Olle Granlund hustete.
»Jetzt weißt du es jedenfalls. Ich hoffe, du kannst was mit der Information anfangen.«
»Ganz herzlichen Dank, Olle«, sagte Nora.
»Aber versprich mir, dass du es diskret behandelst.«
Sollte sie ihm sagen, dass Thomas von dieser Sache erfahren musste? Nein, das würde Olle nur unnötig beunruhigen. Sie entschied sich für einen Kompromiss.
»Ich werde nichts davon weitergeben, wenn es nicht nötig ist. Das verspreche ich.«
Nora drückte wieder auf den Aufzugknopf. Dieser Robert Cronwall hatte eine Menge auf dem Gewissen. Sie musste sofort Thomas anrufen und es ihm sagen.
Kapitel 71
Urban und Annika Melin wohnten in einem Reihenhaus in Farsta Strand.
Es regnete immer noch, als Thomas und Margit wieder ins Auto stiegen. Das nasse Herbstlaub am Straßenrand wirbelte auf und setzte sich hinter den Scheibenwischern fest.
Als sie ankamen, parkte ein alter VW Passat mit eingedrücktem Kühler vor dem Haus. Ein korpulenter Mann in den Vierzigern öffnete gleich nach dem ersten Klingeln.
»Sind Sie von der Polizei?«
Margit hielt ihren Dienstausweis hoch.
»Und Sie sind Urban Melin?«, fragte sie zurück.
Der Mann nickte. Er sah aus, als sei er den Tränen nahe.
»Ich mache mir solche Sorgen, dass Annika etwas zugestoßen ist.«
Thomas hatte ein unangenehmes Déjà-vu-Erlebnis. So hatte ihr Besuch bei Birgitta Cronwall vor ein paar Stunden auch begonnen.
»Ich sitze schon den ganzen Tag neben dem Telefon«, sagte Urban Melin. »Ich habe mich krank gemeldet und bin zu Hause geblieben, für den Fall, dass sie anruft. Aber Annika hat nichts von sich hören lassen.«
Er strich sich über die Stirn und raufte sich das dünne Haar, das quer über den Schädel gekämmt war, um die Halbglatze zu kaschieren. Urban Melin schien nicht zu bemerken, dass er seine Frisur zerstörte.
Thomas sah, dass die Fingerspitzen des Mannes schrumpelig waren, mit abgekauten Nägeln und blutiger Nagelhaut.
»Jetzt erzählen Sie mal von Anfang an«, sagte Margit, nachdem sie auf einem braunen Ledersofa Platz genommen hatten, das den größten Teil des Wohnzimmers einnahm.
Eine graue Katze, die auf einem Sessel geschlafen hatte, hob den Kopf. Beleidigt sprang sie herunter und verschwand Richtung Küche.
»Annika ist gestern Abend nicht nach Hause gekommen, und sie hat sich die ganze Nacht nicht gemeldet«, sagte Urban Melin. »Sie geht nicht ans Handy.«
»Gibt es Verwandte oder Eltern, bei denen sie sein könnte?«, fragte Margit.
»Ihr Vater und ihr Bruder sind vor vielen Jahren gestorben, und ihre Mutter ist dement, sie ist in einem Pflegeheim.«
»Gab es Meinungsverschiedenheiten?«, erkundigte sich Thomas. »Hatten Sie Streit?«
Melin schüttelte den Kopf.
»Nein. Alles war wie immer,
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