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Moerderische Schaerennaechte

Moerderische Schaerennaechte

Titel: Moerderische Schaerennaechte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viveca Sten
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blickte sie kummervoll an.
    »Wir waren zusammen beim Militär.«
    »Wo genau?«, fragte Margit.
    »Bei der Küstenartillerie.« Er schien ein bisschen nostalgisch zu werden. »Wir waren beide Küstenjäger.«
    Noch ein Küstenjäger. Thomas war plötzlich wieder hellwach.
    »Wann war das?«
    »In den Siebzigern. Erst in Waxholm und danach auf Korsö, gegenüber von Sandhamn.« Er gab sich einen Ruck. »Wartet mal kurz.«
    Er verschwand im Wohnzimmer und ließ die beiden allein in der verqualmten Küche zurück. Sie hörten, wie eine Schublade geöffnet und wieder geschlossen wurde, und dann noch eine.
    Margit schnüffelte und verzog das Gesicht.
    »Wie das hier drinnen stinkt. Man kriegt kaum Luft.«
    Sie machte eine Bewegung, wie um das Fenster zu öffnen, als Kaufman aus dem Wohnzimmer zurückkam. In der Hand hielt er ein altes, abgegriffenes Fotoalbum mit rotem Einband.
    »Hier, seht mal.«
    Er schlug das Album auf und zeigte auf ein Foto, auf dem er in voller Uniform mit Barett auf dem Kopf zu sehen war. Im Hintergrund meinte Thomas die Festung Waxholm zu erkennen.
    »Das bin ich, Gefreiter Kaufman steht zu Diensten.«
    Er nahm Haltung an und salutierte unbeholfen, und jetzt hatte Thomas Mitleid mit ihm, mit dem jungen Mann, der irgendwo unterwegs verloren gegangen war.
    Auch Kaufman hatte früher einmal von einem anderen Leben geträumt, dessen war er sich sicher. Was war da schiefgegangen?
    Kaufman setzte sich und blätterte einige Seiten weiter, bis er zu einem Foto in der Mitte des Albums kam. Es zeigte eine Gruppe Soldaten mit nackten Oberkörpern, die an einem Strand standen. Neben ihnen lagen mehrere Kanus im Sand, und die Sonne schien. Anscheinend war es nachmittags aufgenommen worden, denn die Schatten waren lang. Im Hintergrund sah man Kiefernwald und Holzbaracken.
    Die Männer lächelten breit in die Kamera.
    Wie sorglos sie wirken, dachte Thomas.
    »Das bin ich.«
    Bo Kaufman zeigte auf einen jungen Mann. Er sah gut aus, sein Oberkörper war muskulös und tiefbraun. Die Gesundheit in Person. Der Kontrast zu dem Mann, der vor ihnen saß, war erschreckend; es war unbegreiflich, dass dies derselbe Mann sein sollte.
    Wie konnte sich jemand so verändern?
    »Ist Jan-Erik Fredell auch auf dem Foto?«, fragte Margit.
    »Ja.«
    Kaufman beugte sich vor und deutete mit seinem schmutzigen Zeigefinger auf den lachenden Mann in der Mitte.
    »Das ist er.«
    Jan-Erik Fredell hätte mit Bo Kaufman verwandt sein können. Die gleichen stoppelkurzen Haare, der gleiche muskulöse Oberkörper. Er blinzelte in die Kamera, eine Hand in die Seite gestemmt.
    Auch er war sonnenbraun und wirkte unbekümmert.
    Auch er hatte sich vollkommen verändert.
    »Sind das Ihre Kameraden vom Militär?«, fragte Margit. »Waren Sie in derselben Einheit?«
    »Ja, wir waren alle in derselben Gruppe. Wir gehörten zum Ersten Zug.«
    Thomas versuchte sich zu erinnern, wie die Küstenartillerie organisiert war. Die Soldaten waren in Gruppen eingeteilt, klein genug, um effizient operieren zu können, und groß genug, dass Zusammenhalt und Kommunikation funktionierten. Vier bis fünf Gruppen bildeten einen Zug. Sie blieben die ganze Ausbildung hindurch zusammen.
    Er selbst hatte seinen Wehrdienst bei der Marine an Bord eines Minenräumschiffs in der Ostsee abgeleistet. Für ihn war es selbstverständlich gewesen, sich für die Marine zu entscheiden, nach all den Jahren, die er im Sommer im Stockholmer Schärengarten verbracht hatte. Aber die Vorstellung, Küstenjäger zu werden, hatte Thomas nie gelockt, obwohl sie nur einen Steinwurf von Harö entfernt lagen. Die Idee einer speziell ausgewählten Einheit, die sich allen anderen überlegen fühlte, hatte für ihn etwas Anrüchiges. Das war ein Elitedenken, das ihm fremd war.
    »Wer sind die anderen auf dem Foto?«, fragte Margit.
    Bo Kaufman kratzte sich am Kopf.
    »Wollen mal sehen.« Er zeigte auf den Mann direkt neben ihm. »Das ist Kihlberg, er war unser Gruppenführer und ein verdammt anständiger Kerl.«
    »Wie ist sein Vorname?«
    »Tja, also … Damals wurden nie Vornamen benutzt, immer nur Nummer und Nachname.«
    Bo Kaufman sog Luft ein und entließ sie mit einem deutlichen Zischen aus dem Mund.
    »Mich haben sie Hundertacht genannt. Ich war Hundertacht Kaufman.«
    Sein Tonfall war verändert, fiel Thomas auf. Plötzlich klang er geistesgegenwärtiger, nicht mehr so stumpfsinnig. Als hätte sich ein Echo des militärischen Lebens in die Stimme geschlichen und die Überreste des

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