Moerderische Schaerennaechte
schussbereit in der Hand, stieß Thomas die Tür mit dem Fuß weit auf. Es war niemand zu sehen; ein paar Reklamezettel lagen verstreut auf dem braunen Flurläufer, und an einem Garderobenhaken hing eine Jacke.
Thomas blickte sich um und ging ein paar Schritte weiter in die Wohnung hinein. In der schmutzigen Küche sah es womöglich noch schlimmer aus als beim letzten Mal. Die Luft war zum Schneiden, es stank nach vollem Aschenbecher und saurem Bier. Auf der Spüle standen noch mehr leere Flaschen und Bierdosen als bei ihrem ersten Besuch.
Langsam ging er weiter zum kleinen Wohnzimmer. Ein fleckiges Sofa und ein Tisch, dessen Platte übersät war mit runden Abdrücken von Bierflaschen, waren die einzigen Möbel, abgesehen von einem großen, alten Fernseher in der einen Ecke.
Kaufman war nicht da.
Thomas drehte sich zur Badezimmertür um, war dahinter etwas zu hören? Lautlos schloss er die Finger um die dunkelgraue Kunststoffklinke und drückte sie herunter.
Dann öffnete er die Tür.
Sein erster Blick fiel auf eine dreckige Kloschüssel. Der plötzliche Luftzug ließ den Duschvorhang flattern, und der beißende Gestank von altem Urin stach ihm in die Nase.
Unwillkürlich trat Thomas einen Schritt zurück und hielt den Atem an. Wie konnte Kaufman es in dem Saustall nur aushalten?
Wo war er überhaupt?
Es war immer noch vollkommen still in der Wohnung. Thomas blickte sich weiter um. Es gab nur noch einen Raum, in dem er nicht gewesen war.
Das Schlafzimmer.
Die Tür war abgeschlossen, nicht nur zugezogen. Thomas nahm ein paar Schritte Anlauf, dann öffnete er sie mit einem kräftigen Tritt.
Auf dem Bett, zwischen schmutzigen Laken, lag Kaufman auf dem Rücken, den Mund weit aufgerissen.
Es gab keinen Zweifel, dass er tot war.
Tagebucheintrag April 1977
Morgen werden wir nach Korsö verlegt. Die Insel der Küstenartillerie, gegenüber von Sandhamn.
Dort werden wir bis Ende August bleiben, fast fünf Monate, und im sogenannten Lager Korsö wohnen, einer Ansammlung von Baracken östlich des großen Kais.
Man ist in Zwei- oder Vierbettstuben untergebracht, schmalen Zimmern mit Etagenbetten, so eng, dass man sich kaum umdrehen kann. Aber Hauptsache, wir sind die Schlafsäle los, mit all dem Geschnarche und Gemurmel in der Nacht. Ich habe es wirklich satt.
Nicht weit vom Kai, wo die Schiffe anlegen, ist ein großer Stein.
Darauf ist der Küstenjägereid eingeritzt:
»Ich [Küstenjäger] schwöre bei Torleif unserem Beschützer, anderen Soldaten ein Vorbild zu sein, indem ich jederzeit und in allen Situationen mein Bestes gebe, ein guter Kamerad bin und niemals aufgebe.
Ich werde das Zeichen der Küstenjäger, Barett und Neptungabel, ehren und mit Respekt tragen.«
Dieser Eid ist es, der uns antreibt.
Kapitel 44
Die Stunden im Pub waren dahingeflogen, ohne dass Nora es gemerkt hatte. Sie hatten sich jeder ein Bier bestellt und dann noch eins. Jetzt war sie ein kleines bisschen beschwipst.
Die Wehmut vom Nachmittag war verschwunden. Die Unterhaltung mit Jonas war leicht und locker, es mangelte nicht an Gesprächsthemen, und sie lachte jedes Mal wieder, wenn Jonas Schauergeschichten über durchgeknallte Fluggäste und ihr Benehmen an Bord zum Besten gab. Er war der geborene Erzähler.
Während sie im Pub saßen, waren weitere Gäste gekommen. Fast alle Tische waren inzwischen besetzt, und ein behagliches Stimmengewirr füllte den Raum. Die Theke war von mehreren Inselbewohnern umlagert, und die Zapfhähne liefen heiß.
Sie saßen etwas abseits an einem der inneren Tische, die nur Platz für zwei Personen boten.
»Haben Sie auch Hunger?«, fragte Nora. Ihr knurrte langsam der Magen. »Sollen wir hier unten bleiben, oder wechseln wir in die feineren Salons?«
»Was ist Ihnen lieber?«
»Ich finde, wir sollten nach oben ins Restaurant gehen«, sagte sie lächelnd. »Es ist noch früh, wir bekommen bestimmt einen Tisch auf der Glasveranda. Dort hat man Aussicht über den ganzen Hafen.«
Sie erhob sich.
»Kommen Sie.«
Nora griff nach ihrer Jacke, und Jonas folgte ihr widerspruchslos. Er schien eher amüsiert darüber, dass sie das Kommando übernahm.
Sie gingen die kleine Steintreppe hinunter und die paar Meter weiter zum Eingang des Restaurants. Die schwere Eichentür knarrte, als Jonas sie öffnete. Sie traten ein, und Nora zeigte auf einen altmodisch möblierten Raum mit waagerechten Wandpaneelen, der direkt vor ihnen lag.
»Das hier ist der älteste Teil des Värdshuset, eine der
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