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Moerderische Schaerennaechte

Moerderische Schaerennaechte

Titel: Moerderische Schaerennaechte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viveca Sten
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aufzubrechen. Er musste eine der letzten roten Rosen vom Kletterrosenbusch gepflückt haben, der an der Hauswand rankte.
    Was für eine romantische Geste. Ihr wurde ganz warm ums Herz, sie beugte sich hinunter und roch an der Blüte. Der schwache Duft erinnerte sie an den Sommer.
    Selbst wenn es nur für eine Nacht war, ein Fehler war es nicht, wiederholte sie im Stillen.
    Als Nora die Haustür hinter sich abschloss, hörte sie, wie jemand ihren Namen rief. Sie drehte sich um und sah Olle Granlund am Gartenzaun stehen.
    »Fährst du schon wieder?«
    »Leider. Die Arbeit ruft. Außerdem kommen die Jungs morgen von Henrik nach Hause.«
    Es genügte, die Worte auszusprechen, und schon sehnte sie sich nach ihren Söhnen.
    Nora sah auf die Uhr. In fünfzehn Minuten würde die Fähre ablegen. Es war die letzte für heute, sie durfte sie nicht verpassen.
    Jetzt spürte sie den Schlafmangel der letzten Nacht. Sie hatte versucht, am Nachmittag ein wenig zu schlafen, aber sie war einfach nicht zur Ruhe gekommen.
    Sie steckte die Schlüssel in die Tasche und ging die wenigen Stufen hinunter zum Zaun.
    Olle Granlund hielt ihr einen handgeschriebenen Zettel hin. Es sah aus, als hätte er ihn aus einem alten Kollegblock gerissen; an der einen Längsseite waren vier runde Löcher. Auf einer Ecke saß ein schwacher Daumenabdruck.
    »Ich habe das Gedicht von Elias Sehlstedt gefunden, von dem ich dir gestern auf Korsö erzählte. Ich habe es für dich aufgeschrieben.«
    Nora war gerührt.
    »Wie lieb von dir«, sagte sie. »Vielen Dank.«
    Sie nahm den Zettel entgegen und las mit leiser Stimme:
Ein Hoch auf Avén! Salut, alle Rahen bemannt!
Möge das Glück seine Blumen dir pflücken!
Hier bist du dein eigener Kommandant,
Fern vom Getriebe der Skeppsholmsbrücken.
In der Himmelsstube hoch oben im Turm
Wirst wie eine Sonn’ du das Feuer bewahren
Und leuchten lassen durch Gischt und Sturm,
Dass die Söhne der See nicht zur Hölle fahren.
    »Danke, dass du daran gedacht hast. Es ist wunderschön.«
    Nora hätte schwören können, dass eine leichte Röte am Hals des alten Mannes aufstieg.
    »Ich dachte mir, dass es dir gefallen würde«, sagte er.
    Nora warf heimlich einen Blick auf die Uhr. Sie durfte die Fähre auf keinen Fall verpassen.
    Olle Granlund wand sich, als hätte er beschlossen, ihr etwas zu erzählen, und wüsste nicht, wie.
    »Ich habe über das nachgedacht, wonach du gestern gefragt hast«, begann er. »Altes Gerede über die Küstenjäger.«
    »Ja?«, sagte Nora und öffnete die Pforte.
    Olle Granlund blickte sich um, als fürchtete er, jemand könnte hören, was er auf dem Herzen hatte.
    »Erinnerst du dich, was ich dir erzählt habe? Dass die Küstenjäger darin trainiert wurden, hart gegen sich selbst und andere zu sein?«
    Nora nickte wortlos.
    Olle trat von einem Fuß auf den anderen. In seinen Augen lag ein unglücklicher Ausdruck.
    »Ein paar Mal ging es schief, da sind die Ausbilder aus dem Ruder gelaufen.«
    Für einen Moment fühlte Nora sich, als würde sie verbotenes Gelände betreten, als schnüffelte sie in Sachen herum, die sie nichts angingen. Aber dann schüttelte sie das Gefühl ab und hörte zu.
    »Es gab immer harte Kerle bei der Truppe«, sagte Olle, »aber manche waren richtig unheimlich. Die schossen übers Ziel hinaus, weil sie es genossen, nicht, weil es verlangt wurde.«
    Nora stellte die Reisetasche ab und wartete auf die Fortsetzung.
    »Das waren reine Sadisten, um ehrlich zu sein. Einer von denen hatte einen besonders schlechten Ruf. Ich habe von einem Fall gehört, da wollte ein Soldat unbedingt nach Hause geschickt werden, er stand kurz vor dem totalen Zusammenbruch. Der Druck war zu groß geworden für den armen Teufel.«
    »Was passierte mit ihm?«
    »Er verletzte sich mit dem Messer. Er schnitt sich selbst ins Bein, tief, dass das Blut nur so spritzte und er nicht mehr marschieren konnte. Er dachte wohl, dann müssten sie ihn nach Hause entlassen.«
    »Haben sie es denn getan?«
    »Nein. Sein Vorgesetzter war ein richtiges Schwein. Er verzog keine Miene, als er sah, was der Soldat getan hatte. ›Schneiden Sie sich das andere Bein auch auf‹, sagte er nur.«
    Nora wich unwillkürlich zurück.
    »Ist das wahr?«
    Olle Granlund senkte den Kopf.
    »Das war noch nicht das Schlimmste.«
    Nora sah den Kummer in seinem Gesicht. Und noch etwas anderes.
    Scham über einen Waffenbruder.
    »Kann es noch schlimmer kommen?«
    »Der Soldat schaffte es schließlich, entlassen zu werden. Aber

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