Moerderische Schaerennaechte
kurz danach kam er bei einem Autounfall ums Leben. Es wird erzählt, dass dieser Vorgesetzte daraufhin in der Offiziersmesse einen Toast auf seinen Tod ausbrachte, da der Soldat ein untauglicher Küstenjäger gewesen sei und er froh war, ihn los zu sein.«
»Das klingt ja unglaublich.«
»Ja, aber wie gesagt, solche Leute waren die Ausnahme.«
Olle Granlund strich sich über das graue Haar. Trotz seines Alters war es noch voll und dicht.
»Im Großen und Ganzen waren die meisten gute Soldaten, das darfst du nicht vergessen. Die Idee, die hinter der Küstenjägerkompanie stand, war gut. Ihre Aufgabe war, Schweden um jeden Preis vor feindlichen Angriffen zu schützen. Da musste man die Belastbarkeit der Soldaten gründlich ausloten.«
Nora war hin- und hergerissen zwischen dem Wunsch, mehr zu erfahren, und dem Zwang, die Fähre zu erreichen. Eine letzte Frage noch, dann musste sie die Beine in die Hand nehmen.
»Weißt du, wie der Mann hieß, der ein solches Schwein war?«
Olle Granlund kratzte sich im Nacken. Seine blaue Latzhose hatte braune Flecken auf den ausgebeulten Beinen, wahrscheinlich hatte er auf dem Steg gekniet und etwas repariert.
»Das ist so lange her … Ich weiß es nicht mehr.« Er griff sich verlegen ans Ohr. »Aber ich kann versuchen, es herauszubekommen.«
Nora hob ihre Tasche auf.
»Weißt du denn, wann er bei der Truppe war?«
»In den Siebzigern.«
Tagebucheintrag Mai 1977
»Wegen meinem Alten«, sagte Andersson kurz.
Wir saßen an der Nordseite von Sandhamn, auf einem hohen Berg direkt vor der Einfahrt zum Hafen. Hinter uns stand eine große Kaufmannsvilla, von der man eine meilenweite Aussicht aufs Meer hatte.
Wir hatten an diesem Abend Ausgang und ausnahmsweise die Erlaubnis erhalten, nach Sandhamn hinüberzufahren.
Die Einwohner mögen unsere Besuche nicht, sie finden, wir bringen zu viel Unruhe in den Ort. Deshalb gibt es eine stillschweigende Übereinkunft, dass wir uns auf Korsö beschränken und Sandhamn so gut es geht meiden.
Aber sie können uns nicht dauernd eingesperrt halten. Deshalb dürfen wir ab und zu hinfahren. Es dauert nur zehn Minuten mit dem Boot, und wir hatten uns lange auf diesen Besuch gefreut.
Gestern Abend hatten wir mit dem tarnfarbengefleckten Boot an der Lotsenbrücke festgemacht. Wir waren zwanzig Mann und wollten im Värdshuset etwas essen.
Anschließend zogen die anderen weiter zur Seglerkneipe, wo Tanz war, aber Andersson und ich gingen stattdessen zum Kvarnberget und setzten uns mit unserem Bier in den Sonnenuntergang. Wir hatten zwar schon einiges intus, waren aber nicht besonders betrunken, nur ein bisschen still.
Ich hatte einen Brief von meiner Mutter bekommen, sie und Vater lassen sich scheiden. Und Andersson, ja, dem war wohl einfach nicht nach Jux und Tollerei.
Es war schon fast elf, aber immer noch nicht dunkel. Ein endloser, frühsommerheller Himmel erstreckte sich vor uns. In der Ferne zog ein Frachter gemächlich Richtung Ostsee. Die roten Aufbauten ragten über die Baumkronen der Kiefern hinweg und ließen den Wald aussehen wie eine geschrumpfte Kulisse in einem Zeichentrickfilm.
Ich musste die Frage einfach stellen, über die ich schon so lange nachgedacht hatte. Ich zog an meiner Zigarette und überlegte, wie ich sie am besten formulieren sollte.
Warum sagte er nicht einfach: Für mich war’s das, ich hau ab?
Warum ertrug er es, dass der Uffz tagein, tagaus auf ihm herumhackte? Es war unglaublich, was er an Demütigungen einsteckte.
»Warum lässt du dir so viel Scheiße vom Uffz gefallen?«, fragte ich schließlich.
Er gab einen erstickten Laut von sich. Erst dachte ich, dass er nicht antworten wollte. Dann bewegte er die Lippen, es war kaum zu erkennen im Dämmerlicht.
»Wegen meinem Alten.«
»Deinem Alten?«, echote ich.
Es klang idiotisch, ich hörte es selbst.
Ich nahm einen letzten Zug und drückte die Kippe im taufeuchten Sand aus. Unter uns reckten die Birken ihre kahlen Zweige in die Luft. Hier im Schärengarten begannen die Laubbäume gerade erst auszuschlagen, und an den Fliederhecken, die die Häuser im Ort säumten, brachen die ersten hellgrünen Blattknospen auf.
Andersson zuckte die Schultern.
»Mein Vater war nach dem Krieg hier stationiert. Er ist Hauptmann der Reserve und erzählt ständig von seinen Kameraden bei der Küstenartillerie.«
Er nahm einen Schluck aus der Dose und wischte sich den Mund mit dem Handrücken ab.
»Er gehörte zu einem der ersten Jahrgänge. Er redet andauernd über
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