Moerderische Sehnsucht
Lächeln in ihrem Gesicht fühlte sich gut und mächtig an. » Peabody, Sie kommen mit mir.«
19
Jessica mit den vielen Nachnamen lebte in einem dreistöckigen Apartment in der Größe von Hoboken. Das ausgedehnte Wohnzimmer verfügte über eine breite, bodentiefe Fensterfront, die einen wunderbaren Panoramablick über den East River bot.
An einem klaren Tag konnte man bestimmt an diesen Fenstern stehen und bis nach Rikers hinübersehen.
Die Dame des Hauses hatte in ihrer Wohnung nach ihrem persönlichen Geschmack Uraltes und Hochmodernes gemischt, wodurch ein bunter, überraschend einladender Stil entstanden war. Eve und Peabody saßen auf einem mit dicken Kissen ausgelegten, mörderisch roten Sofa, und ihre Gastgeberin schenkte Tee aus einer mit pinkfarbenen Rosenknospen verzierten weißen Kanne in bestürzend zarte Tassen ein.
Den Tee und einen Teller mit hauchdünnen Plätzchen hatte eine elegant gekleidete Frau mit der Figur eines Zahnstochers hereingebracht.
» Wir sind uns schon ein-, zweimal begegnet«, eröffnete Jessica das Gespräch.
» Ja, ich erinnere mich.« Nun, da sie ihr gegenübersaß, fiel es Eve tatsächlich wieder ein. Jessica war eine schlanke, ausnehmend gepflegte Frau um die achtzig mit kurzem, sanft gewelltem, goldfarbenem Haar, unter dem ihr scharf geschnittenes Gesicht vorteilhaft zur Geltung kam. Ihr breiter, lebendiger Mund war zartrosa geschminkt und ihre von dichten Wimpern eingerahmten Augen leuchteten in einem dunklen Grün.
» Sie tragen Leonardo.«
» Nur, wenn er sich vorher wäscht.«
Jessicas leises Kichern klang erfrischend jugendlich. » Eine meiner Enkelinnen ist total verrückt nach seinen Entwürfen. Sie trägt niemals etwas anderes. Seine Sachen stehen ihr, genau wie Ihnen . Ich bin der Meinung, dass die Leute immer nur das wählen sollten, was zu ihnen passt.«
Als sie Eve den Tee anbot, musste diese dem Verlangen widerstehen, ihr zu erklären, dass Kaffee aus einem ordentlichen, dicken Becher besser zu ihr passte als dieses blumige Gebräu.
» Wir wissen es zu schätzen, dass Sie sich Zeit für uns nehmen, Mrs Charters«, stellte sie stattdessen fest.
» Bitte nennen Sie mich Jessica.« Lächelnd bot sie auch Peabody eine Tasse an. » Dürfte ich Ihnen vielleicht eine Frage stellen? Wenn Sie beide einen Verdächtigen verhören– oh, warten Sie, ich glaube, dass man heute von Vernehmung spricht– wenn Sie also einen Verdächtigen vernehmen, wenden Sie dabei auch ab und zu Gewalt an?«
» Das ist nicht erforderlich«, klärte Peabody sie auf. » Der Lieutenant macht den Typen solche Angst, dass sie freiwillig alles gestehen.«
Abermals stieß Mrs Charters ihr gut gelauntes, leises Lachen aus. » Was würde ich nicht dafür geben, Ihnen einmal dabei zusehen zu dürfen. Ich bin ein totaler Krimi-Fan und versuche mir immer vorzustellen, ich hätte etwas verbrochen und müsste eine Vernehmung überstehen. Sie müssen nämlich wissen, meinen dritten Mann hätte ich am liebsten umgebracht.«
» Gut, wenn man dieser Versuchung widersteht«, bemerkte Eve.
» Ja.« Jessica lächelte ihr pinkfarbenes Lächeln. » Es wäre sicher ungemein befriedigend gewesen, aber zugleich auch furchtbar schmutzig. Wobei die Scheidung auch nicht gerade sauber war. Aber ich vergeude mit meinem Geplapper Ihre Zeit. Was kann ich für Sie tun?«
» Stewart E. Pierpont.«
Jessica zog die Brauen hoch. » Ja, ja, ich kenne diesen Namen. Hat er etwa einen Mord begangen?«
» Wir würden gerne mit ihm sprechen, aber wir haben Probleme damit, ihn ausfindig zu machen.«
Obwohl Jessica eine leichte Verwirrung anzusehen war, blieb ihr Tonfall weiterhin angenehm. » Seine Adresse müsste in den Unterlagen stehen. Ich werde Lyle bitten, sie für Sie herauszusuchen.«
» Die Adressen, die er angegeben hat, sind Humbug. Außer, es gäbe in der Royal Opera in London oder in der Carnegie Hall neuerdings private Wohnungen.«
» Ach tatsächlich?«, fragte Jessica gedehnt, dann aber blitzten ihre Augen auf. » Nun. Ich hätte es wissen müssen.«
» Woher hätten Sie was wissen müssen?«
» Dieser Mr Pierpont ist ein seltsamer Vogel. Im Verlauf der Jahre hat er ein paar Galas und andere Events besucht. Allerdings ist er nicht besonders gesellig und offenbar auch kein besonderer Menschenfreund. Ich konnte ihn nie dazu bewegen, irgendetwas zu spenden, dabei mache ich meine Sache für gewöhnlich wirklich meisterhaft.«
» Auf Galas und andere Events des Opernhauses gelangt man nur mit einer
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