Moerderische Sehnsucht
in dem Fall ermittelt haben, sowohl mein Sinn für Ironie als auch Ihr angeborener Zynismus fehlen.«
» Weshalb kriegen Sie die Ironie?«, beschwerte sich Eve. » Ich habe jede Menge Sinn für Ironie. Vielleicht war sie so sehr damit beschäftigt, in ihre Kristallkugel zu gucken, dass ihr der Typ, der es auf ihre Klunker abgesehen hatte, gar nicht aufgefallen ist.«
Doch an derart große Zufälle hatte Eve noch nie geglaubt. » Oder vielleicht hat unser Typ sie aus dem Verkehr gezogen, weil ihm irgendwas an ihrer blumigen Darstellung seiner Person oder seiner Methode nicht gefallen hat.«
» Daran habe ich auch schon gedacht«, stimmte Nadine ihr zu. » Die aufgeschlitzte Kehle passt nicht zu seinem normalen Vorgehen, aber…«
» Er hat ihr wahrscheinlich nicht denselben Status wie den sorgsam von ihm ausgewählten Opfern eingeräumt. Sie hat ihn geärgert und deshalb hat er sie aus dem Verkehr gezogen, weiter nichts. Haben Sie eine Kopie der Sendung?«
» Ja.«
» Schicken Sie sie mir. Ich werde mich noch mal in Rumänien melden und gucken, ob sie mir mehr über den Mord an dieser Frau erzählen können. Haben Sie sonst noch was für mich?«
» Jede Menge reißerischer Beiträge und Texte, die von meinen fleißigen Bienen durchgesehen werden, um zu gucken, ob ein zweiter Blick sich lohnt.«
» Wenn sie etwas finden, geben Sie mir Bescheid.«
Nach Ende des Gesprächs schrieb Eve sich ein paar Worte auf: blasser Mann. Musik. Baum des Lebens. Todeshaus.
Dann holte sie Peabody von ihrem Schreibtisch ab.
» Ich glaube, langsam wird es wärmer.« Trotzdem zog Peabody die Schultern hoch und beugte sich ein wenig vor, damit der wilde Märzwind ihr nicht direkt in die Eingeweide blies.
» Stehen Sie auf derselben Seite des Äquators wie ich?«
» Nein wirklich. Ich glaube, es ist ein paar Grad wärmer als gestern. Und wir haben bereits März, das heißt, fast schon April. Wenn man es genau bedenkt, steht praktisch der Sommer vor der Tür.«
» Der eisige Wind hat eindeutig Ihr Hirn in Mitleidenschaft gezogen.« Eve hielt ihre Dienstmarke vor den Scanner an der Eingangstür des Hauses, in dem Cal Marshall wohnte, und fügte stirnrunzelnd hinzu: » Deshalb überlege ich es mir am besten noch einmal, ob ich Sie mit diesem Typen sprechen lassen soll.«
» Nein! Das kriege ich auf alle Fälle hin. In Ordnung, es ist eisig. Der Wind ist derart kalt, dass er sich durch meine Hornhäute direkt in meine Netzhaut bohrt. Aber mein Gehirn hat er bisher noch nicht erreicht.«
Als sie das Foyer betraten, riss sich Peabody die Mütze mit den Ohrenklappen ab. » Habe ich plattes Haar? Mit plattem Haar kann ich unmöglich jemanden vernehmen.«
» Sie haben Haar. Das reicht ja wohl.«
» Ich habe plattes Haar«, murmelte Eves Partnerin, fuhr sich mit den Händen durch die glatten Strähnen, schüttelte den Kopf und bauschte ihre verunstaltete Frisur auf dem Weg zum Fahrstuhl so gut wie möglich auf.
» Hören Sie auf, sich wie ein Mädchen zu benehmen. Himmel, das ist wirklich lästig. Wenn ich einen Partner ohne Titten hätte, blieben mir diese blöden Gespräche über Haare wenigstens erspart.«
» Baxter würde niemals jemanden vernehmen, wenn er platte Haare hätte«, widersprach ihr ihre Partnerin.
Da sie das nicht leugnen konnte, runzelte sie nur die Stirn. » Baxter zählt nicht.«
» Und Miniki…«
» Wenn Sie so weitermachen, werde ich Sie fesseln und einfach kahl rasieren. Dann haben Sie nie wieder ein Problem mit plattem Haar.«
Eve marschierte aus dem Fahrstuhl und folgte den Nummern an den Wohnungstüren, bis sie vor Cal Marshalls Apartment stand.
» Soll ich ihn immer noch vernehmen?«, fragte Peabody bescheiden.
Eve bedachte sie mit einem bitterbösen Blick und klopfte an die Tür, doch als ihnen geöffnet wurde, trat sie einen kleinen Schritt zurück und überließ der Partnerin das Feld.
» Mr Marshall? Ich bin Detective Peabody. Wir haben vorhin miteinander telefoniert. Das hier ist Lieutenant Dallas, meine Partnerin. Dürfen wir hereinkommen?«
» Ja. Sicher. Ja.«
Er war blond, fit, gebräunt und hatte Augen in der Farbe eines arktischen Sees. Jetzt sahen sie ein wenig hohl und etwas trübe aus, auch seine Stimme hatte einen hohlen, trüben Klang. » Es geht um Sari. Sie sind wegen Sari hier.«
» Warum setzen wir uns nicht?«
» Was? Ja, okay.«
Durch eine offene Tür sah Eve ein unbenutztes Bett, auf dem eine große Reisetasche lag. Ein Snowboard lehnte an der Wand, und über einem
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