Mörderische Triebe
hatten. Ganz egal, wer Opfer von Pérez geworden war.
Die New Yorker Polizisten und Staatsanwälte, so erklärte mir Marc demonstrativ, während die Cops daneben standen, hatten die Angewohnheit, Morde auf dem Stadtgebiet persönlich zu nehmen. Sie drängten darauf, den Täter selbst verurteilen zu dürfen.
Aber das war in diesem Fall ausgeschlossen.
Wir ließen die Rufnummern unseres Mobilanschlusses zurück, dann machten wir uns auf den Weg zum Hotel. Im Trainspotting würde sich Pérez so schnell nicht mehr sehen lassen.
Mehr noch – es bestand die Möglichkeit, dass er sich absetzte. Wenn, dann hatten wir es grandios versaut.
Anders konnten wir es kaum nennen.
Auf dem Weg zum Hotel machten wir bei einem Schnellrestaurant Halt und aßen etwas.
»Auch wenn wir ihn nicht haben, war das gute Arbeit da unten«, lobte mich Marc. »Ich hatte Bedenken, mit dir zu arbeiten. Vor allem als ich hörte, wer du bist. Aber jetzt weiß ich, dass auf dich Verlass ist!«
»Danke für das Kompliment.« Ich grinste ihn an. »Du bist bislang der beste Partner, den ich hatte.«
»Ach was?«, fragte er erstaunt. »Das weißt du schon nach so kurzer Zeit?«
»Sicher, ich hatte noch nie welche.«
Er nahm zwei Pommes und warf sie mir über. Dann aber aßen wir schweigend.
»Pérez wird nicht die offiziellen Wege nutzen, um das Land zu verlassen. Das letzte Mal reiste er illegal mit einem Frachtschiff«, erzählte mir Marc auf dem Weg zum Hotel. »Da die Fahndung von damals nie aufgehoben wurde, werden wir dennoch informiert, sollte er ein Flugticket buchen oder die Grenzen passieren.«
»Die Beamten haben hoffentlich Anweisung, uns zu informieren, nicht aber zuzuschlagen. Sonst gibt es ein Blutbad!«
Marc beruhigte mich. »Natürlich. Wenn er nach Mexico fliegt, kontaktieren wir die Kollegen dort. Geht er nach Südamerika, haben wir erneut verloren. Genau wie damals.«
Dass er nichts von alledem plante, merkten wir im Hotel. Pérez hatte uns eine Nachricht hinterlassen.
Morgen Abend ab 8 p.m. in der Bronx. Dort bringen wir es zu Ende, ihr Wichser!
»Sieht aus, als hätten wir ein Date!«, scherzte ich. »Auch wenn die Bronx groß ist und ich nicht weiß, wie wir ihn finden sollen.«
Marc schürzte die Lippen. »Keine Angst, den finden wir!« Der Blick, den er der Botschaft schenkte, verhieß nichts Gutes …
VI
Wir hatten den Tag damit zugebracht, Nachforschungen zu betreiben. So hatten wir uns die Gewaltfälle der letzten Wochen angeschaut und dabei eine erstaunliche Entdeckung gemacht. In nur drei Wochen hatten Killer – das NYPD schloss aus, dass es sich um einen Einzeltäter handelte – über zwanzig Dealer beiderlei Geschlechts regelrecht abgeschlachtet. Die Opfer waren zerfleischt aufgefunden worden. Manchen hatte man sogar die Eingeweide aus dem Leib gerissen, manche Organe fehlten zur Gänze.
Laut Marc wiesen all die Morde auf das Werk von Werwölfen hin.
Gleichzeitig hatte mein Partner aber auch festgestellt, dass dieses Vorgehen seltsam sei. Werwölfe hielten sich in der Regel bedeckt und töteten nur, wenn man sie in die Enge trieb oder wenn sie die Kontrolle über ihr Wesen verloren.
Das hier aber, diese zwanzig Morde, waren gezielt ausgeführt worden.
Warum die Brutalität und vor allem – warum Dealer?
»Ich schätze«, sagte Marc, als wir in unseren Wagen stiegen, den wir uns von dem lokalen USMS-Büro hatten geben lassen, um in die Bronx zu fahren, »dass wir Pérez ein paar Fragen stellen müssen. Zumindest dann, wenn wir ihn finden und nicht zuvor das Zeitliche segnen.«
Ich nickte nur.
Die Bronx ist der einzige Stadtteil von New York, der auf dem Festland liegt. Es gibt nicht viel Gutes, was man über ihn sagen kann; abgesehen vielleicht von der Tatsache, dass er einen Begleiter hat – eben die Bronx . Die anderen vier Stadtteile müssen ohne auskommen.
Es gab in den zurückliegenden Jahren und Jahrzehnten immer wieder Versuche, die Bronx in ein besseres Licht zu rücken, die Armut zu bekämpfen und neue, moderne Bauten zu errichten.
Eine hohe Arbeitslosigkeit, ein niedriges Pro-Kopf-Einkommen und viele Menschen, die Unterhalb der Armutsgrenze leben, ließen all diese Versuche mehr oder weniger scheitern.
Einzig die Null-Toleranz-Politik des einstigen Bürgermeisters von New York City schaffte es, Ordnung ins Chaos zu bringen. Dennoch sind Drogen und Verbrechen an der Tagesordnung.
Wenn Menschen keine Perspektiven sehen, dann schaffen sie sich ihre eigenen Wege, um an die
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