Mörderische Verstrickungen
Er trug einen hellblauen Pullover, der zu seinen Augen passte, die von einem verblassten Blau waren. Ein kleiner Terrier saß mit gefletschten Zähnen auf seinem Schoß.
»Ja?«
Der Mann sah aus wie Colonel Sanders, mit weißem |180| Haar und Spitzbart. Eine Sekunde lang fragte ich mich, ob das so ist, wenn man älter wird: Man hat so viele Gesichter gesehen, dass sie sich alle zu ähneln beginnen, wie Virgil Stuckey und Willard Scott. Dass es vielleicht überhaupt nur ein paar Gesichter gibt, die beständig im Kreis herumgehen.
»Ja?«, fragte er ein weiteres Mal.
»Ist das hier das Haus der Mahalls?«
»Ich bin Eugene Mahall.«
»Wohnt Betsy Mahall hier?«
»Aber natürlich tue ich das.« Betsy kam die Stufen herab, die in die weite Eingangshalle führten. »Mrs Hollowell, das ist mein Schwiegervater, Eugene Mahall.«
»Ich habe ihr bereits gesagt, wer ich bin«, sagte der alte Mann.
Betsy griff in die Hosentasche ihrer Jeans und reichte mir einen Schlüssel.
»Mrs Hollowell fährt hoch zu Monks Haus«, erklärte sie ihrem Schwiegervater.
»Weshalb?«, fragte dieser. Der Hund und er blickten mich beide argwöhnisch an.
»Sie versuchen, ihre Cousine zu finden.«
»Das ist ein Haufen Verrückter da oben.« Mr Mahall wirbelte den Rollstuhl herum und verschwand in dem Zimmer auf der linken Seite. Der Hund ließ ein Bellen vernehmen.
Betsy kam auf die Veranda heraus. »Seien Sie vorsichtig«, sagte sie.
Der Schlüssel lag in meiner Hand, und ich erwog kurz, ihn zurückzugeben. »Wir stoßen da oben aber auf keine Schlangen, oder?«
Betsy schüttelte den Kopf. »Nein. Terry und ich waren |181| gestern nach der Beerdigung oben, um ein weiteres Mal nach der Kamee zu suchen. Es ist alles schlangenfrei.«
Ich musste mir auf die Zunge beißen, um ihr nicht zu erzählen, dass die Kamee gefunden worden war. Unter den gegebenen Umständen sagte ich ihr nur, dass sie bestimmt bald auftauchen würde.
»Ich habe die Hoffnung nicht aufgegeben«, sagte sie. »Ich wäre heute mit Ihnen mitgefahren, aber ich muss bei den Kindern bleiben.«
»Geht es ihnen einigermaßen?«
»Es geht ihnen gut. Ethan macht gerade ein Nickerchen, und Jamie sitzt vor dem Kinderkanal.«
»Und wie ist es mit Ihnen?«
»Alles okay. Der gestrige Tag war hart.«
»Betsy?«, rief ihr Schwiegervater.
»Tut mir leid, Mrs Hollowell, ich würde Sie gern hereinbitten, aber es geht gerade alles drunter und drüber.«
»Kein Problem, Betsy.« Ich hielt den Schlüssel hoch. »Wir bringen ihn am späteren Nachmittag zurück.«
»Kein Problem. Ich glaube nicht, dass wir so schnell wieder da hochfahren.«
»Betsy!«, rief es mit Kommandostimme.
»Ich muss rein, Mrs Hollowell.« Sie warf mir einen entschuldigenden Blick zu.
»Wir unterhalten uns später.«
Noch bevor ich die Terrasse ganz hinter mir gelassen hatte, hörte ich, wie sich die Tür schloss.
»Was war denn das?«, wollte Schwesterherz wissen. »Wer war dieser alte Knabe?«
»Ihr Schwiegervater. Vielleicht liege ich falsch, aber ich vermute, dass es sein Haus ist und sie bei ihm wohnen. Betsy hat alle Hände voll zu tun, wenn du mich fragst.«
|182| »Hast du die Böden gesehen?«
»Nein, ich habe nicht die Böden gesehen.«
Aber ich hatte genug gesehen, um zu wissen, dass ich mit der Vorstellung, die ich vom Kleinstadtleben der jungen Mahalls gehabt hatte – nette Nachbarschaft, gewöhnliche Jobs, alles in Ordnung bis auf die Tatsache, dass sie keine Kinder bekamen –, falschlag. Bei Weitem. Was ich gegenüber Mary Alice auch eingestand.
»Du bist anders als ich, Maus«, sagte sie. »Du tendierst dazu, Leute in eine Schublade zu stecken.« Und dann, als wir auf den Chandler Mountain hochfuhren: »Gott, ich hoffe, es ist niemand von dieser Schlangensekte da oben in der Kirche. Die müssen alle irgendwie geistesgestört sein.«
Ich ignorierte ihre Worte. Wie verrückt auch immer es uns vorkommen mochte, wenn man mit Schlangen herumhantierte, so dachte ich doch daran, was Betsy über ihre Tante gesagt hatte: dass diese versucht hatte, mit Gott in Berührung zu kommen. Das verdiente Respekt.
Vor der Kirche standen keine Autos oder Lieferwagen mit Ausnahme von Monk Crawfords Malerauto, das nach wie vor in der Einfahrt stand. Luke und Richard waren noch nicht da.
Ich hielt den Schlüssel hoch. »Willst du reingehen?«
»Ich nehme an, sie haben dort eine Toilette.«
»Mit Sicherheit.«
»Dann möchte ich hinein.«
Wir stiegen aus und gingen über den Kiesweg
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