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Mörderische Weihnacht

Mörderische Weihnacht

Titel: Mörderische Weihnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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wirklich ein so schlimmes Vergehen zuschulden kommen laßt und einen Mann schlagt, dann würdet Ihr es nicht von hinten tun, sondern von Angesicht zu Angesicht.«
    »Nun, vielen Dank auch«, sagte Benet und zeigte abermals einen Moment sein strahlendes Lächeln. »Aber, Cadfael, was glaubt Ihr, was geschehen ist? Ihr habt ihn, soweit man weiß, als letzter lebend gesehen. Waren noch andere Menschen unterwegs? Habt Ihr noch jemand gesehen? Jemand, der ihm vielleicht gefolgt ist?«
    »Hinter dem Torhaus war niemand mehr. Einige Leute aus der Vorstadt kamen gerade zum Gottesdienst, aber niemand war zur Stadt unterwegs. Wer Ailnoth womöglich vor mir gesehen hat, konnte nicht erkennen, wohin er wollte. Es sei denn, jemand hätte mit ihm gesprochen. Aber da er so eilig an mir vorbeistürmte, glaube ich nicht, daß er bei jemand anderem innehielt.«
    Benet dachte eine Weile schweigend darüber nach und sagte dann, eher zu sich selbst als zu Cadfael: »Und von seinem Haus aus ist es nicht weit. Er muß direkt gegenüber dem Torhaus auf die Straße gekommen sein. Auf dieser kurzen Strecke wird ihn kaum jemand gesehen oder aufgehalten haben.«
    »Überlaßt es nur den Offizieren des Königs, über das Wie und Warum zu grübeln und sich am Kopf zu kratzen«, riet Cadfael. »Sie werden eine Menge Leute finden, die alles andere als bekümmert über Ailnoths Tod sind, aber ich glaube nicht, daß sie aus irgendeinem etwas herausholen werden, egal, ob Mann, Frau oder Kind. Zweifellos, der Mann hat den Groll der Leute erregt, wo immer er auftauchte. Er wäre wahrscheinlich ein perfekter Schreiber gewesen, tadellos im Umgang mit Dokumenten, Verträgen und Rechnungen, aber er hatte keine Ahnung, wie man menschliche Sünder besänftigt und berät und tröstet. Aber genau das ist doch die Aufgabe eines Gemeindepriesters.«
    Der Frost hielt sich in dieser Nacht und wurde sogar noch schärfer. Das schilfbestandene Flachwasser im Mühlteich gefror und gab dem stadtseitigen Ufer einen Überzug aus Eis, aber noch war er nicht stark genug, um das tiefere Wasser zu bedecken, das vom Mühlkanal leicht aufgewirbelt wurde. Die kleinen Jungen, die am frühen Morgen hoffnungsvoll kamen, um das Eis zu prüfen, kehrten enttäuscht nach Hause zurück.
    Es war nicht möglich, den eisenhart gefrorenen Boden aufzubrechen, um Vater Ailnoth zu begraben, selbst wenn Herbard gestattet hätte, ihn so bald schon zu beerdigen; doch die klare Kälte machte die Verzögerung wenigstens erträglich.
    Über der Vorstadt lastete ein drückendes Schweigen. Die Menschen redeten viel, aber mit gedämpften Stimmen und nur unter vertrauenswürdigen Freunden. Dennoch herrschte allenthalben ein Gefühl von unterdrückter und abergläubischer Freude, als wäre eine gewaltige Wolke von der Pfarre gewichen. Selbst jene, die sich ihren Freunden nicht mit Worten anvertrauten, taten dies mit stummen Blicken. Die Erleichterung war überall zu spüren.
    Aber auch die Angst. Denn irgend jemand, so schien es, hatte den Plagegeist von der Vorstadt genommen, und nun fühlten alle, die ihn fortgewünscht hatten, einen Krumen Schuld an ihren Fingern kleben. Sie konnten nicht anders, als über die Identität des Erlösers spekulieren, doch hielten sie Mund und Augen geschlossen und schoben alles Wissen und ihre eigenen Mutmaßungen beiseite, um niemanden dem Gesetz zu verraten.
     
    Während seines gewohnten Tagesablaufs hing Cadfael seinen Gedanken nach, die sich unvermeidlich auf Ailnoths Tod konzentrierten. Niemand sagte Alan Herbard etwas über Eadwins Stück Land oder über Aelgars Kummer oder über das ungeweihte Grab von Centwins Sohn oder über das Dutzend oder mehr weitere Wunden, die Ailnoth zu einem verhaßten Mann gemacht hatten, aber das war auch nicht nötig. Will Warden wußte bereits Bescheid, und vielleicht wußte er auch von kleineren Konflikten, die dem Abt gar nicht erst zu Ohren gekommen waren. Jeder der Gekränkten mußte nach seinen Bewegungen am Weihnachtsabend befragt werden, und Will wußte genau, wo er die Bestätigung für die Aussagen finden konnte. Und so sehr die Vorstadt auch mit dem sympathisierte, der Ailnoth getötet hatte, und so loyal sie sich um ihn schloß und ihn deckte, es war dennoch wichtig, daß die Wahrheit ans Licht kam, denn niemand würde mehr seinen Seelenfrieden finden, bis alles aufgedeckt war. Dies war der erste Grund dafür, daß Cadfael, beinahe gegen seinen Willen, die Auflösung herbeisehnte. Der zweite Grund hatte mit Abt Radulfus

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