Mörderische Weihnacht
Becher und eine Flasche holte und sich neben ihn setzte. Cadfael betrachtete erfreut die schlanke Gestalt und das schmale, beredte Gesicht, das den Duft der Außenwelt mitbrachte, frisch vom Hof gekommen, im Amt bestätigt, ein Mann, dessen Energie nicht schwand wie Stephens Entschlossenheit, der nicht ein Unternehmen allzu schnell aufgab, um sich dem nächsten zuzuwenden, wie Stephen es tat. Oder waren diese Zeiten jetzt vorbei? Vielleicht hatten die Entbehrungen und Demütigungen in Bristol Stephens Halbherzigkeit ein für alle Mal ein Ende gesetzt. Aber Hugh hielt ihn offenbar für einer so gewaltigen Veränderung unfähig.
»Er trug beim Weihnachtsfest wieder seine Krone, und er war prächtig anzusehen. Das muß man ihm lassen, kein lebendiger Mann sieht mehr nach einem König aus als Stephen. Er befragte mich unter vier Augen eingehend, wie sich die Dinge hier bei uns entwickelt hätten, und ich gab ihm einen ausführlichen Bericht über unseren schweren Stand gegen den Grafen von ehester, und daß Owain Gwynedd uns im Norden der Grafschaft ein treuer Verbündeter war. Er schien mit mir zufrieden - zumindest schlug er mir herzhaft auf die Schulter. Er hat eine Hand wie eine Schaufel, Cadfael! Und dann ermächtigte er mich, als rechtmäßig bestätigter Sheriff auch weiterhin die Verantwortung zu tragen. Er erinnerte sich sogar, daß er mich einmal als Prestcotes Stellvertreter gesehen hatte.
Ich glaube, dieses Gedächtnis ist unter Königen nicht weit verbreitet, und deshalb halten wir wohl zu Stephen, selbst wenn er uns den Verstand raubt. Nun, ich bekam also seine Billigung und außerdem einen festen Stoß in den Rücken, damit ich sofort wieder aufbrach und mich um meine Pflichten kümmern konnte. Ich glaube, er will den Norden besuchen, sobald die Winterkälte nachläßt, um noch ein paar Schwankende auf seine Seite zu ziehen. Welches Glück, daß ich auf dem Weg nach Süden viermal die Pferde wechselte«, sagte Hugh dankbar,
»denn ich dachte mir schon, daß ich es auf dem Rückweg eilig haben könnte. Ich ließ meinen Grauen auf dem Hinweg in Oxford zurück. Und nun bin ich wieder da und freue mich, daheim zu sein.«
»Auch Alan Herbard wird froh sein, Euch zu sehen«, sagte Cadfael, »denn er mußte ins tiefe Wasser springen, während Ihr fort wart. Nicht, daß er sich scheut, aber er war gewiß nicht begeistert. Er hat Euch sicher schon erzählt, was hier geschehen ist? Ausgerechnet am Weihnachtsabend! Eine schlimme Sache!«
»Er hat es mir berichtet. Jetzt komme ich gerade vom Abt, der mir seine Ansichten dargelegt hat. Ich hatte den Toten kaum einmal gesehen, aber ich habe genug von anderen gehört. Gutgehaßt, und das in so kurzer Zeit. Aber ist diese Einstellung zu ihm berechtigt? Ich konnte kaum Abt Radulfus bitten, seinem Kandidaten übel nachzureden, aber ich würde nicht behaupten, daß er große Stücke auf ihn hielt.«
»Ein Mann ohne Barmherzigkeit und Demut«, sagte Cadfael einfach. »Mit diesen Tugenden begabt, wäre er ein anständiger Kerl gewesen, aber er besaß sie nicht. Er stieß auf die Gemeinde nieder wie ein Heuschreckenschwarm.«
»Und Ihr seid sicher, daß es Mord war? Ich habe die Leiche gesehen, ich weiß von der Kopfwunde. Kaum vorstellbar, daß er sich die durch ein Unglück und ganz allein zugezogen hat.«
»Ihr müßt nachforschen«, sagte Cadfael, »welche arme Seele den Schlag führte. Aber von den Leuten in der Vorstadt könnt Ihr keine Hilfe erwarten. Ihre Herzen schlagen für denjenigen, der sie von diesem Schatten befreit hat.«
»Das sagt auch Alan«, erwiderte Hugh mit einem schmalen Lächeln. »Er kennt diese Leute trotz seiner Jugend schon ganz gut. Und es wäre ihm lieber, wenn ich an seiner Statt die Leute ins Gebet nähme. Und das will ich tun, soweit es nötig ist.
Übrigens mußte auch ich auf Geheiß des Königs alle Barmherzigkeit und Demut ablegen«, fügte Hugh traurig hinzu.
»Er will, daß seine Feinde erbarmungslos gejagt werden und gibt in alle Richtungen entsprechende Befehle. Und ich habe den Auftrag, hier in meiner Grafschaft einen seiner Feinde aufzustöbern.«
»Soweit ich mich erinnere«, wandte Cadfael ein, während er dem Freund nachschenkte, »gab er Euch schon einmal einen ähnlichen Auftrag, den Ihr auf Eure Weise erledigt habt, was gewiß nicht in seinem Sinne war. Er hat Euch deshalb nie zur Rede gestellt. Aber er könnte es eines Tages bereuen, und er wäre sicher froh, wenn Ihr Euch bei der Jagd recht emsig zeigt.
Aber
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