Mörderischer Stammbaum
attraktiver Pappschachtel.
Der Täter ließ alles liegen,
schloss den Wagen auch vorn ab, lief zur Ausfahrt, wobei er seine Maske abnahm,
benutzte dort Petras Schlüssel für das Tor und wartete, bis es sich öffnete.
Draußen hatte er gelauert. Hier
war er hinter dem Kleinwagen hereingeschlichen, ungesehen.
Der Betonschlauch beschrieb
eine Kurve.
Kam ein Wagen entgegen? Der
Täter horchte. Nein. Dort war alles still.
Er lief hinaus. Hinter ihm
schloss sich das Tor. Und schon bald an diesem Abend — das hatte der Täter sich
ausgerechnet — würde Petra Delius in ihrem Kofferraum ersticken.
16. Ein Stück vom blondenPferdeschwanz
Gaby wusste Petras Adresse in
der Blechglanz-Straße und hielt es für unnötig, vor warnend dort anzurufen.
„Glaubt mir, Jungs! Sie ist zu
Hause. Sie ist nicht der Typ, der spätabends in der Szene rumhängt. Petra steht
früh auf, denn die Tauben müssen früh morgens gefüttert werden.“
Jetzt hielten TKKG vor dem
Apartmenthaus an und Tim stellte mit Blick auf seine Armbanduhr fest, dass es
sooo spät noch nicht war.
Klößchen sollte auf die Bikes
aufpassen. Er war der Dickste und am wärmsten angezogen. Außerdem bestand
keinerlei Aussicht, dass Petra Schokolade vorrätig hatte.
Eben trat ein älteres Paar
durch die Haustür ins Treppenhaus und Tim eilte hinzu mit einem: „Guten Abend!
Da können wir ja auch gleich mit rein.“
Den Leuten war das recht, denn
die drei Kids sahen aus wie wohl gesonnene Verantwortungsträger. Gaby grüßte,
Karl grüßte und Tim fragte dann, in welcher Etage eine gewisse Petra Delius
wohne, denn hier endete Gabys Informationspegel.
„Diese große junge Frau mit dem
Pferdeschwanz?“, fragte der Mann. „Ich glaube, in der dritten. Rechts. Wir
wohnen in der fünften. Auch rechts. Man hat einen schönen Blick Richtung
Plötten-Park. Aber dort stehen leider nur Laubbäume. Und die sind jetzt so kahl
wie mein Kopf.“
Er nahm seinen Hut ab und
zeigte seine Glatze.
„Gernot!“, sagte seine Frau
vorwurfsvoll. „Wen interessiert denn das?!“
„Jedenfalls steht es Ihrem
Mann, dieser Blankschnitt“, meinte Tim, während alle in den Lift stiegen. „Und
bei einem Männerkopf ist ohnehin der Inhalt wichtiger als die Schurwolle.“
„Und bei einem Frauenkopf?“,
fragte Gaby.
„Da muss beides stimmen.“
Dann hielt der Lift im dritten
Stock. Die Kids stiegen aus und wünschten dem Kahlkopf und seiner Frau eine
angenehme Nacht.
„Nette Leute!“, meinte Karl.
„Aber Gernot leidet unter seinem Haarausfall. Sonst würde er nicht mit dem
oben-ohne kokettieren. Da weiß seine Frau wenigstens, was sie ihm zu
Weihnachten schenken kann: eine Perücke. Am besten gleich zwei — in Blond und
in Braun. Einmal den Scheitel links, einmal rechts.“
„Pst!“, machte Gaby. Denn das
Ehepaar stieg oben aus dem Lift und im hallenden Treppenhaus war jedes Wort zu
vernehmen.
Tim hatte Petras Wohnungstür
entdeckt und schon zweimal geläutet. Doch niemand kam, niemand öffnete.
„Du hast dich getäuscht, Gaby.
Sie dümpelt doch in der Szene rum.“
„Nein! Niiiiiieeeeee täte sie
das. Wenn es hochkommt, geht sie spät einkaufen. Wenn sie die
Abendveranstaltung vom Tierschutzverein besucht — dann ist das, als flippe sie
aus.“
„Solider Bomber!“, meinte Tim.
„Hoffentlich laufen die interessanten Spätfilme auch nachmittags.“
Er hatte ein drittes und
viertes Mal geklingelt. Vergeblich.
In diesem Moment öffnete sich
die Wohnungstür nebenan und die Nachbarin — eine Gertrude Dingelhof, wie das
Namensschild verriet — zeigte sich.
Sie mochte 70 sein, trug einen
flotten Homedress in gepunkteter Seide, hatte schon Nachtcreme aufgetragen,
glänzte nämlich wie eine Speckschwarte, und hielt ein schlankes Bierglas in der
ebenfalls schlanken Hand.
„Ist was, Kids?“, fragte sie
kehlig. „Macht Petra nicht auf? Sie ist da. Das weiß ich. Weiß ich genau. Wieso
macht sie nicht auf? Ist die Klingel kaputt? Mir war doch, als hörte ich das
Läuten. Hier sind ja die Wände so dünn. Eine Bruchbude, sagte ich euch. Die
Miete ist trotzdem unverschämt. Junge, läute doch noch mal! Das beunruhigt mich
sonst.“
Mit dem Jungen meinte sie Tim,
der vor der Türglocke stand. Er tat Gertrude den Gefallen, ließ den Daumen auf
der Klingel und alle hörten, wie hinter der Tür das Ding-Dong nicht aufhörte.
„So tief schläft niemand“,
stellte Tim fest. „Wird sie manchmal ohnmächtig?“
„Nö! Petra ist gesund.“
Gertrude nahm einen
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