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Mörderischer Stammbaum

Mörderischer Stammbaum

Titel: Mörderischer Stammbaum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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angetroffen.
    An Plätzen wie hier, dachte
Petra, werden Frauen überfallen. Immer wieder hört man davon. Nicht umsonst gibt
es bereits Parkgaragen nur für Frauen. Das hilft vielleicht etwas. Aber
einschleichen kann sich trotzdem jeder übel wollende Kerl.
    Sie hatte die Box Nummer 27,
parkte ein zwischen zwei Säulen, schaltete den Motor aus und blieb sitzen.
    Stille. Sie summte in den
Ohren. Dann rumpelte irgendwo hinter den Mauern die Fernheizung, summte,
brummte, gurgelte, hörte alsbald wieder auf.
    Stille.
    Warum steige ich nicht aus?,
dachte Petra.
    Ein Gefühl, ein Instinkt
hinderte sie daran.
    Der Motor knisterte. Petra
parkte frontal zur Mauer. Das war grauer Beton mit kleinen Rissen und
abgeblätterter Farbe. In Kniehöhe zog sich ein schokobrauner Streifen rund um
den Raum. Ein sinnloser Anstrich.
    Petra blickte in den
Rückspiegel, dann in beide Außenspiegel. War sie allein?
    Ja. Total. Ganz allein. Dann
zuckte sie zusammen. Denn irgendwo hinten, außerhalb ihres Blickfeldes, glitt
ein Schatten zur Seite.
    Aber das war wohl eine
Sinnestäuschung. Denn als Petra sich umdrehte, konnte sie nichts ausmachen.
Keinen Schatten, keine Gestalt, nichts Verdächtiges.
    Die Tiefgarage war ständig
beleuchtet. Aber nicht festlich, sondern gerade so, dass man ohne eigenes Licht
fahren konnte. Ein sumpfiges Dämmerlicht, nicht kalt und nicht warm, zu
schwach, um Lesen zu können, aber hell genug, um seine Box zu finden.
    Jetzt steige ich aus, dachte
sie. Himmel, ich bin keine Minute von meiner Wohnung entfernt. Aber diese
Garage — das ist Nervenkrieg. Sollte ich mich lieber unter die Laternen stellen
mit meinem Heckenhüpfer? Kein Vergnügen bei Eis und Schnee. Und Winter wird’s
bald. Außerdem ist die Batterie schon sehr schwach.
    Sie stieg aus.
    Der aschblonde Pferdeschwanz
hing ihr lang auf den Rücken. Sie trug eine sportliche Jacke mit Reißverschluss
und hohem Kragen. Jacke und Jeans sahen mitgenommen aus. Die Schnürschuhe
hatten schiefe Absätze. Petra vernachlässigte sich zwar nicht, was Hygiene
betraf, war aber an modischen Finessen keine Spur interessiert.
    Acht Einkaufsbeutel wollten
jetzt transportiert sein.
    Petra beugte sich in ihr
Fahrzeug.
    In derselben Sekunde tauchte
die Gestalt hinter ihr auf.
    Ein Mann. Groß, kräftig, den
Kopf unter einer Wollmaske versteckt. Sie reichte über die Oberlippe. Aber der
Mund blieb frei.
    Petra hörte ein Geräusch hinter
sich. Sand knirschte unter Schuhsohlen. Ein Atem ging heftig.
    Sie erstarrte vor Schreck,
richtete sich auf, wollte herumfahren, aber nichts ging mehr.
    Ein gorillastarker Arm
umklammerte sie, drückte ihren Hals, schnürte ihr die Luft ab. Petra konnte
nicht schreien. Genutzt hätte es ohnehin nichts.

    Ein Stofflappen, der beißend
stank, wurde ihr auf Mund und Nase gepresst.
    Chloroform?!
    Sie versuchte, den Atem
anzuhalten. Sie versuchte, hinter sich zu schlagen, zu treten. Dicht hinter
ihrem linken Ohr wurde sein heftiger Atem zum Gelächter. Ein leises, dumpfes
Lachen über diese vergebliche Gegenwehr.
    Petra musste atmen. Im nächsten
Moment verlor sie das Bewußtsein.
    „Na, also!“, murmelte der
Täter. „Ruhe sanft — und für immer!“
    Er ließ die Bewusstlose zu
Boden gleiten, trat hinter den Wagen und öffnete den Kofferraum.
    Der hatte mehr Fassungsvermögen
als man bei einem Kleinwagen dieser Bauart vermuten konnte, war aber trotzdem
eng.
    Der Täter nahm Petras
Armbanduhr an sich, zog der jungen Frau zwei bescheidene Ringe von den Fingern,
raubte auch ihr Portmonee mit Scheckkarte und Führerschein. Zuletzt riss er
Petra das Goldkettchen vom Hals, wobei der Verschluss kaputtging und eine
Schmarre im Nacken zurückblieb.
    Der Täter schleifte Petra zum
Kofferraum und hievte sie hinein.
    Wäre die hochgewachsene Frau
bei Bewusstsein gewesen, hätte alles Mühen nichts genützt. Aber jetzt wurde sie
hineingepfercht wie eine Kontorsionistin (Artist), deren Knochen sich biegen
lassen wie Gummi.
    Was als Schlangenmensch-Nummer
im Zirkus begeistern mag — hier war es eindeutig Körperverletzung. Rohe Brutalität,
die der Täter Petras Gelenken und Rückgrat antat.
    Doch das war noch nicht das
Schlimmste.
    Er drückte den Deckel zu und
schloss den Kofferraum ab. Ohne diesem tödlichen Gefängnis noch einen Blick zu
widmen — was später bedeutungsvoll sein würde — wandte er sich ab.
    Die Einkaufstüten lagen noch
auf Rück- und Nebensitz, gefüllt mit Brot, Obst, Gemüse, Käse, Konserven und
einer kleinen Torte in

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