Möwenfluch (Vloek op Meeuwen) (Möwennest) (German Edition)
sammelten. Er schlug die Decke beiseite, stand auf und stieg die steile Treppe hinunter. Er hörte Inga im Laden arbeiten und mit jemandem über die schlechten Wetterprognosen sprechen. Den Gedanken, zu ihr zu gehen, verwarf er, als sein Blick auf dem Zettel an der Wand hängen blieb. Frühstück in der Küche - Finger weg vom Scotch.
Das ließ sich Harry nicht zweimal sagen. Sein Magen knurrte. Er schlurfte durch den kleinen Flur in die Küche. Auf dem Tisch stand ein Teller mit Sandwiches und Pumpernickel, daneben ein Glas Milch.
Nachdem er gegessen hatte, fühlte er sich satt und zufrieden. Er blieb eine Weile sitzen, schaute hinaus und begutachtete den schönen Tag. Er fühlte sich seltsam erholt und vergaß für einen Moment, die Sorgen, die seit seiner Flucht aus Zierikzee permanent in seinem Kopf kreisten. Schließlich schlurfte er einigermaßen müde zurück in den Flur. Inga sprach schon wieder mit einem Kunden, aber diesmal klang ihre Stimme nicht mehr freundlich. Im Gegenteil, sie schien ziemlich aufgebracht. Vorsichtig näherte sich Harry der Tür.
„Hören Sie, Herr … wie war Ihr Name noch?“
„Claas Maadin . Ich komme von der polizeilichen Dienststelle in Zierikzee .“
Harry erstarrte in seinen Bewegungen.
„Also hören Sie, Herr Maadin . Ich habe diesen Mann wirklich nicht gesehen, wenn Sie jetzt entschuldigen, der Laden führt sich nicht von allein.“
„Und sie sind ganz sicher, dass sie diesen Glatzkopf in den letzten Tagen nicht gesehen haben. Er ist schließlich Ihr direkter Nachbar, wohnt nur knapp zweihundert Meter entfernt.“
Harry brach der Schweiß auf der Stirn aus. Instinktiv presste er sich gegen die Wand, schlich ein paar Schritte zurück und versuchte sich so unsichtbar wie möglich zu machen. Die Stimme gehörte weder einem Herrn Maadin noch kam dieser von der Polizei. In Ingas Blumenladen stand niemand anderes als Viktor Kulac . Und wenn Viktor da ist , schoss es Harry durch den Kopf, dann sind die anderen auch nicht weit.
Schon im nächsten Moment hasste er sich dafür, dass er Recht behielt.
Er duckte sich gerade noch rechtzeitig in die Nische des Treppenaufgangs. Ein Schatten huschte an der Küchentür entlang, dann erschien Andreijs Gesicht im Fenster. Mit seinem Gorillablick starrte er in den Raum. Harry drückte sich gegen die Treppe und wagte nicht mehr zu gucken. Sein Herz hämmerte. Die Angst, hier entdeckt zu werden, schnürte ihm die Kehle zu.
„Sie sind ja immer noch hier. Wenn Sie nichts kaufen wollen, dann muss ich Sie bitten, zu gehen. Wir sind kein Stehcafé .“
„Haben Sie was dagegen, wenn ich mich kurz in Ihrem Haus umsehe?“
„Und ob! Würden Sie einen Wildfremden etwa einfach in Ihre Wohnung lassen?“
„Unter Umständen. Wenn ich zum Beispiel Angst hätte, dass sich ein gefährlicher Schwerverbrecher in meinen eigenen vier Wänden verschanzt hätte.“
„Da ich dieses Problem zum Glück nicht habe, bleibt die Antwort: nein.“
Harry hörte Viktor seufzen.
„Sie haben natürlich Recht. Verzeihen Sie. Wenn Sie den Mann irgendwo sehen, seien Sie so gut und rufen diese Nummer an. Das Foto können Sie behalten.“
Harry hörte das Windspiel am Eingang klackern und die Tür kurz darauf zufallen. Er wagte sich ein paar Zentimeter nach vorn, spähte in Richtung Küche und sah gerade noch den Schatten von Andrej verschwinden. Als er sicher war, dass Stojics Handlanger fort waren, ließ er sich mit dem Rücken gegen den Treppenabsatz sinken und pustete mehrmals tief durch. Inga schaute durch die Tür und gab ihm eindeutig zu verstehen, dass er sich besser sobald nicht mehr zeigen sollte.
Harry nickte erschöpft, er fühlte sich plötzlich wieder ganz fürchterlich. Wieso musste ausgerechnet er von den miesesten Typen gesucht werden, die er kannte.
Herrjeh, das kann doch alles nicht sein. Zehn Jahre nichts und jetzt das.
Am liebsten hätte er Petr angerufen und versucht alles zu erklären, aber es schien ziemlich sicher, dass es dafür bereits zu spät war.
Zu spät. Sein Magen krampfte sich zusammen, beinahe hätte er sich übergeben .
Zehn Minuten später kam er auf die Beine und schleppte sich in das Dachgeschosszimmerchen. Die Sonne brannte und heizte den Raum weiter auf. Harry zwang seinen kräftigen Körper aufs Bett und kämpfte noch einige Zeit mit den eigenen Gedanken. Sein Köper bekämpfte die Hitze mit einem permanenten Schweißausbruch. Immer wieder wischte er die Schweißperlen aus seinem Gesicht und fragte sich
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