Möwenfluch (Vloek op Meeuwen) (Möwennest) (German Edition)
er?“
Monica spürte den Schmerz und reagierte, obwohl ihr Lebenserhaltungstrieb sie dazu mahnte, den Männern zu erzählen, was sie wissen wollten, eher trotzig als ängstlich. Sie spuckte ihm ein Gemisch aus Blut und Speichel vor die Füße und schaute ihn zornig an.
„Und wenn ich es dann immer noch nicht weiß? Es gibt so Leute, die wissen manche Dinge leider wirklich nicht. Willst du Idiot mir bei gleicher Antwort noch eine knallen oder erschießt du mich gleich?“
„Hm“, machte der Mann zuckte mit den Schultern und sagte „Gute Idee.“
Er griff an sein Pistolenhalfter unter dem Jackett, zog die H&K heraus und richtete sie auf Monicas Kopf. Mit dem Zeigefinger löste er die Sicherung.
Ein spannendes Klicken durchdrang die Stille, die die Sekunden unmittelbar danach ausgefüllt hatte.
„Mädchen“, sagte Victor Kulac trocken. „Du musst wirklich noch lernen, dass manche Leute keine Witze machen. Schreib dir das hinter die Ohren, für dein nächstes Leben.“
In diesem Moment musste Monica sich eingestehen, dass sie nie einen Film gesehen hatte, in dem die Bösewichte den Informanten umbrachten, bevor der nicht sein Wissen preisgegeben hatte. Gleichzeitig wurde ihr klar, dass das wahre Leben mit den schauspielerischen Einlagen in Hunderten Actionstreifen nur sehr wenig gemeinsam hatte.
Ehe in ihrem Kopf vollständig die Erkenntnis gereift war, dass sie besser den Mund gehalten oder den Männern die Wahrheit gesagt hätte, knallte bereits der Schuss. Er war ohrenbetäubend und hallte von den Wänden des Lieferwagens zurück.
Monica kniff die Augen zusammen. Wusste nur noch, dass sie nicht hier sein wollte, und dass sie zu jung zum Sterben war. Es gab doch noch so viel zu erleben und entdecken auf der Welt. Außerdem musste sie unbedingt noch einmal mit Harry Romdahl sprechen. Sie hatte es sich so fest vorgenommen, nachdem Inga alles über ihn erzählt hatte. Sie wusste jetzt, wer er war, aber er hatte vermutlich keinen blassen Schimmer, wer sie war. Ihr war es wichtig, dass sich das änderte.
Das kann’s doch jetzt nicht wirklich gewesen sein, dachte sie …
***
23:30, Westenschouwen
Da das Licht draußen mehr und mehr schwand, senkte sich die Dunkelheit langsam in die kleine Küche. Harry stand auf und knipste die Deckenlampe an. Sie sah aus wie eine umgedrehte Blumenvase und warf ein kaltes Licht.
Immerhin besser, als in der Dunkelheit zu brüten , dachte Harry zerknirscht. Inga schaute zu ihm auf. Sie schien in den letzten Minuten völlig weggetreten und ihren blutunterlaufenen Augen sah er an, welche innere Qual dieses Gespräch für sie war.
„Weißt du, Harry“, sagte sie endlich. „Diese Kinder kamen alle aus Westenschouwen und es waren Männer aus Westenschouwen , die Margareta van Buuren vor über 260 Jahren auf die Sandbank brachten, sie dort brachen, anklagten, verurteilten und sie als gebrandmarkte Irre und vom Teufel Besessene töteten. Eine unschuldige Frau ertränkt in einer Truhe, die halb so hoch ist wie ein ausgewachsener Mann und mit einer Reihe kleiner Schlitze und Einschnitte übersät. Diese winzigen Öffnungen, die das Wasser nur langsam hindurchlassen, weshalb das Warten auf den Augenblick, in dem nur noch Wasser und kein Sauerstoff mehr im Innern ist, zu einer ebenso großen Qual wird, wie das Sterben darin selbst. Es ist gewissermaßen eine schier endlos lange Folter, an deren doch unweigerlich kommendem Ende ein qualvoller Tod steht. Margarete van Buuren wurde hingerichtet, wie eine Hexe im finsteren Mittelalter und das zu einer Zeit in der in Frankreich bereits die Aufklärung um sich griff und die Grundsteine der modernen Gesellschaft gelegt wurden. Das war ein Akt reinster, finsterster Bosheit. Ein bestialischer Mord und er korrumpierte alles.“
Inga atmete einmal tief durch und ließ die Luft zischend entweichen. Es war ein unangenehmes Geräusch, das Harry die Gänsehaut auf die Arme trieb.
„ Eine dunkle Energie hielt das Wesen des Teufels am Leben , so schrieb es Joos Slag vor 260 Jahren in sein Büchlein. Ob man nun daran glaubt oder nicht, ist unerheblich. Im Wesentlichen, und das ist ein ganz entscheidender Punkt in dieser Geschichte, geht es um Folgendes, Harry. Joos hatte bemerkt, dass sie auch nach vielen Stunden im Wasser noch Lebenszeichen von sich gab, doch er ließ sie nicht frei, zeigte keine Gnade, nicht einen Funken Menschlichkeit. Stattdessen gab er ein noch massiveres Vorhängeschloss in Auftrag, verschloss die Truhe damit
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