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Möwennest-Reihe Gesamtband (German Edition)

Möwennest-Reihe Gesamtband (German Edition)

Titel: Möwennest-Reihe Gesamtband (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Biesenbach
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hätten den Schlund eines riesigen Ungeheuers betreten. Harry war sich sogar sicher, dass sich die Luft augenblicklich geändert hatte. Außerdem stieg ihm dieser Geruch in die Nase, den er an Sem wahrgenommen hatte. Ein Anzeichen für die Anwesenheit von ihm oder Margareta van Buuren oder einer Schar übel gelaunter Möwen fand sich nicht. Egal, wie sehr Harry versuchte, etwas zu erkennen, er fand nichts. Die Sandbank wirkte völlig verlassen. Trügerische Ruhe umhüllte sie. Vor ihm blieb Inga plötzlich stehen. Ari lief beinahe in sie hinein.
    „Weiter, weiter“, zeterte er.
    „Gleich. Ich spüre, dass wir ihr näher kommen. Rückt dichter zusammen“, befahl Inga. „Wir sind gleich da.“ Sie ließ den Lichtkegel einmal rundherum wandern. „Egal, was passiert, bleibt beieinander.“
    Die alte Frau setzte sich wieder in Bewegung. Diesmal wesentlich langsamer. Vorsichtig setze sie einen Fuß vor den anderen, sank dabei tief in den nassen Sand und suchte im Schein der Taschenlampe die nähere Umgebung ab. Eine jähe Böe, die sie allesamt beinahe umwarf, das Zucken eines weit entfernten Blitzes und das folgende Donnergrollen brachte sie kurz aus der Fassung.
    „Von diesem Hokuspokus lasse ich mich schon lange nicht mehr überzeugen“, sagte Inga laut. Sie erhielt keine Antwort und konzentrierte sich weiter auf die Suche.
    Sie durchquerten eine torä hnliche Konstruktion, die zwei abgebrochene Pfeiler gebildet hatten, weil sie ineinander gestürzt waren und sich verkantet hatten. Am Boden hatte sich allerlei Unrat gesammelt, als hätte ihn jemand darum herum drapiert. Zwei Beete aus abgestorbenen Wasserpflanzen, gesplittertem Holz und anderem Müll. Im auffrischenden nunmehr pfeifenden Wind ächzten und stöhnten die Balken ein raues Klagelied.
    Das Tor zur Hölle , dachte Harry unwillkürlich. Inga widersprach prompt.
    „Nein, ganz gewiss nicht“ Sie hielt inne. Harry hörte deutlich, dass sie scharf die Luft einsog, dann sagte sie: „ Da vorn‘ … Da vorne ist es.“
    „Das Tor zur Hölle?“
    Inga schüttelte den Kopf. „Nein, da vorne ist der Ort, an dem die Kiste steht.“
    Der Lichtstrahl war auf dem äußersten der Pfeiler hängen geblieben, die einstmals Ari Sklaatens Restaurant getragen hatten. Es war jener abschließende, nordwestlich gelegene Pfeiler, hinter dem die Sandbank steil ins Meer abfiel. Dort brachen sich selbst jetzt bei ruhigem Seegang und Ebbe lautstark die Wellen, spritzten und schwappten an Land. Er war in der Mitte geborsten. Der obere Teil lag flach im Sand, wohingegen der untere mit einer Neigung von gut vierzig Grad in die Höhe ragte. Das Betonfundament war teilweise aus dem Grund gerissen und hing halb in der Luft. Der Pfeiler wirkte wie ein entwurzelter Baum, der beim nächsten Windstoß komplett umfallen konnte. Obwohl er nicht wesentlich anders aussah, als die übrigen Stützen, wirkte er größer, dunkler, bedrohlicher als die anderen.
    „Und die Kiste?“, fragte Harry und schob sich an Monica vorbei , sodass er gleichauf mit Ari und Inga war.
    „Sie ist da“, versicherte Inga und leuchtete den Pfahl von unten nach oben ab. Ganz oben auf der Spitze erwischte der Lichtkegel im letzten Moment eine einzelne weiße Möwe, deren Augen den Schein der Lampe rot reflektierten, bevor sie die Schwingen ausbreitete und mit einem einsamen Schrei davonflog.
    „Ich habe kein gutes Gefühl hierbei“, murmelte Harry.
    „Gute Gefühle sind hier fehl am Platz“, giftete Monica ihm von hinten ins Ohr.
    „Ja“, bestätigte Inga. „Gefühle sind hier tatsächlich nicht angebracht. Sie sind geradezu gefährlich. Ich denke, wir werden nicht mehr lange allein sein.“
    „Na dann los. Los, bringen wir es hinter uns“, stimmte Ari ein. Aus den Tiefen seines Regenmantels zog er klimpernd die schwarze Kette und das Schloss, dann setzte er sich an die Spitze und eilte auf den Pfeiler zu.
    „Also dann“, seufzte Inga und folgte ihm. Harry und Monica blieben ein paar Meter zurück. Dies war definitiv die letzte Chance zu fliehen. Er hielt sie am Arm fest, als sie im Begriff war den beiden anderen zu folgen, zog sie zu sich hin und sah ihr in die Augen.
    „Monica“, sagte er. „Wir müssen das nicht tun. Wir könnten einfach gehen. Wir könnten …“
    „Versager“, zischte sie schroff, riss sich los und eilte Inga nach.
    Harry gab sich endgültig geschlagen und setzte sich ebenfalls in Bewegung.
    Bis zum bitteren Ende , dachte er frustriert.
     
     
     

Kapitel 16
     
     
    Sie

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