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Möwennest-Reihe Gesamtband (German Edition)

Möwennest-Reihe Gesamtband (German Edition)

Titel: Möwennest-Reihe Gesamtband (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Biesenbach
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und wich hastig wieder zurück. Dann traf er endlich eine Entscheidung, wenn man es denn so nennen konnte.
    „Du! Bleib mir vom Leib, Hexe! Hast sie hergeführt! Verräterin!“ brüllte er. Es folgte ein Schrei, wie Harry selten einen Menschen hatte schreien hören, dann sprang Ari Sklaaten zur Hintertür, drehte den steckenden Schlüssel im Schloss, riss sie auf und verschwand heulend und zeternd in der Nacht.
    Harry war drauf und dran ihm nachjagen, aber Inga hielt ihn zurück.
    „Lass ihn nur, Harry“, sagte sie matt und setzte sich. „Das hat jetzt keinen Sinn. Ich fürchte, er ist zu lange alleine dort draußen in seinem Restaurant gewesen. Er ist nicht mehr derselbe. Ich habe ihn zu lange nicht mehr gesehen. Es ist ungewiss, ob er gerettet werden kann. In ihm ist kaum noch Leben.“ Inga schüttelte traurig den Kopf, auch wenn in ihren Augen so etwas wie zornige Entschlossenheit funkelte. „Sie hat ihn gebrochen, obwohl sie all die Jahre eingesperrt war, hat sie ihn langsam zerstört. Armer Ari. Verflixt noch mal! Hätte ich doch nur früher reagiert.“
    Sie rieb sich die Augen und machte auf einmal einen sehr müden Eindruck.
    „Ich hatte die Hoffnung, er würde uns verraten, was er herausgefunden hat und ich bin mir sicher, dass tief in seinem Innern die Lösung steckt. Die Information, vor der sie sich fürchtet. Er wusste, dass sie irgendwann in seinen Geist einbrechen würde, um es zu finden, also hat er es tief in sich vergraben, damit sie nicht daran kommt. Er hat einen hohen Preis dafür bezahlt.“
    Inga hielt inne und blickte auf den Fußboden. Ein schwirrender Schatten zeichneten sich darauf ab. Eine Motte hatte sich in die Küche verirrt und umkreiste unruhig die einzige Lichtquelle im Raum. Harry verfolgte sie mit seinen Blicken. Jedes Mal wenn das Insekt der heißen Glühlampe zu nahe kam, flatterte es wild umher, beschleunigte und näherte sich schließlich doch wieder der heißen Glühbirne. Ihm fiel dazu eine kurze Geschichte ein, die er einmal in der Schule im Englischunterricht gehört hatte. Darin ging es um eine Motte, die sich weigert, wie alle anderen Motten zu sein und deshalb Nacht für Nacht versucht den Mond zu erreichen. Er erinnerte sich nicht mehr daran, was die Moral der Geschichte war, aber das war jetzt ohnehin unwichtig.  Die Anwesenheit der Motte hatte nur eine Bedeutung, sie würde nicht die Einzige bleiben, wenn niemand reagierte.
    Harry drückte den krummen Rücken durch und streckte sich, dann schloss er die Tür, die Ari bei seiner abrupten Flucht offen stehen gelassen hatte. Eine Motte im Raum war mehr als genug.
    „Und jetzt? Wird er zurückkommen? Wird er uns helfen?“, fragte Harry nach kurzem Schweigen. Inga schüttelte den Kopf.
    „Ich weiß es nicht. Geh lieber nicht davon aus.“
    „Also tun wir nichts? Warten wir einfach darauf, dass etwas passiert?“
    Wieder deutete Inga ein Kopfschütteln an. Sie war eine Kämpfernatur und in so vielen Lebensjahren mit allem fertig geworden, das konnten gewiss nicht viele Menschen von sich behaupten und doch wirkte sie jetzt, als sie in ihrer winzigen Küche zusammensaßen ruhelos. Sie strahlte nicht direkt Unruhe aus oder Besorgnis, es war eher das Gefühl, das man hat, wenn man weiß, dass einem die gegebene Zeit schneller davon läuft, als einem lieb ist.
    „Nein“, sagte sie, „wir müssen Margareta selbst aufhalten. Ari hat genug getan. Wir müssen selbst da rausfahren, um die Kiste wieder zu verschließen. Zur Not müssen wir es mit einem gewöhnlichen Vorhängeschloss versuchen. Ari sagte, er hätte etwas bei dir versteckt. Auch wenn er durch den Wind ist, ich glaube ihm. Wir müssen herausfinden, was es ist und dann ...“
    Sie stockte. Der Boden zitterte, die Gläser in der kleinen Holzvitrine vibrierten, das Licht flackerte. Etwas stimmte nicht.
     
    ***
     
    In der Nähe der Sandbank, drei Meter unter der Wasseroberfläche lösten sich die letzten Reste des Verschlusses von Margareta van Buurens Truhe. Korrodierte Eisenteile sanken langsam auf den Grund, wo sie im Sand liegen blieben. Es gab einen heftigen Schlag von innen gegen den Deckel, noch einen und noch einen. Die Kiste vibrierte und mit einem letzten dumpfen Schlag öffnete sich die Truhe wenige Millimeter, nicht breiter als einen Briefkastenschlitz. Dennoch reichte dieser gänzlich aus. Eine formlose schwarzrote Masse schoss durch den Spalt ins freie Meer. Der Meeresboden zitterte. Die Masse sank auf den Grund, wirbelte Sand und schlick auf,

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