Mogelpackung: Roman
Exposé gepackt, mit der er dann bei den Produktionsfirmen hausieren gehen könnte. Es kam nichts dabei heraus. Musste ja auch nicht sein, beruhigte sich Fredo. Er las sich durch den gut bestückten Bücherschrank seiner Schwägerin, erledigte Gesches Einkäufe und plünderte Markus’ Weinkeller. Zum Ausgleich joggte er, erst widerwillig, dann durchaus mit Freude. Die Tage zerrannen in Gleichförmigkeit, fügten sich zur Woche, dann zur nächsten.
Als Fredo an einem verregneten Dienstagvormittag auf Frühstückspirsch in die Küche schlurfte, erwartete ihn seine Großmutter mit einem frisch gekochten Kaffee – einem Service, den sie ihm für gewöhnlich nicht bot, wenn er so lange schlief wie heute. »Danke, liebe Gesche«, Fredo prostete ihr mit dem Becher zu und schlürfte genüsslich. »Womit habe ich das verdient?«
»Betrachte den Kaffee als Vorschuss. Du wirst ihn dir noch verdienen müssen. Damit.«
Gesche wies auf den Küchentisch. Dort lag ein Blatt Papier. Ein Brief, erkannte Fredo. Ein Schreiben mit dem offiziellen Briefkopf der Schule, unterzeichnet von Helena Anatol.
»Das hat Tim vorhin kommentarlos auf dem Tisch liegen lassen«, erklärte Gesche. Fredo begann zu lesen:
Sehr geehrter Herr Fried,
Ihr Sohn Tim ist während des laufenden Schulhalbjahrs wiederholt unentschuldigt dem Unterricht ferngeblieben. Überdies scheint Tims Versetzung zum Ende des Schuljahrs in die Klasse zehn aufgrund seiner Leistungen derzeit ausgeschlossen zu sein. Sie selbst sind meiner bereits geäußerten Bitte um ein klärendes Gespräch bislang nicht nachgekommen. Sollte es dabei bleiben, gehe ich davon aus, dass Ihrerseits für Tim bereits ein Schulwechsel geplant und somit kein Klärungsbedarf mehr gegeben ist.
Mit freundlichen Grüßen …
Fredo legte den Brief zurück auf den Tisch. Gesche beobachtete ihn gespannt.
»Und? Was machst du jetzt?«
»Ist das mein Problem?«
Gesche zeigte ihm einen Vogel. »Wenn ich das früher auch gesagt hätte, hättest du wohl kaum das Abitur geschafft!«
Da ist was dran, gestand sich Fredo widerwillig ein und wunderte sich nicht zum ersten Mal darüber, wie Gesche immer noch die Sache auf den Punkt bringen konnte. Manchmal. »Wenn Tim möchte, dass ich noch mal mit seiner Lehrerin spreche, kann er mir das eigentlich selber sagen. Aber er redet nicht mehr mit mir.«
»Du redest ja auch nicht mit ihm.«
»Warum sollte ich?«
»Und da ist er wieder, mein Fredo – der kämpft nie! Denn warum sollte er?« Gesche ließ ihn stehen und ging aus der Küche. Fredo setzt sich an den Tisch, trank seinen Kaffee und starrte auf den Brief. Da hatte Markus ihm ja wirklich etwas eingebrockt. Fährt nach China und wälzt den ganzen Erziehungsmüll auf mich ab, dachte Fredo. Aber vielleicht ahnt Markus gar nicht, wie ernst die Lage für seinen Sohn ist. Ob Tim wenigstens klar war, wie ernst die Lage war? Wenn ja – warum schwänzte er dann auch noch die Schule?
Einer Spontaneingebung folgend ging Fredo in sein Zimmer und holte ein leeres Notizbuch. Diese Sorte – liniert, fester Karton-Einband, Spiralbindung – benutzte er bei der Arbeit als Ideenkladde. Doch dieses Exemplar sollte einem anderen Zweck dienen. Fredo suchte sich einen roten Filzstift und schrieb in zackigen Großbuchstaben aufs Deckblatt: NEWSFLASH FAMILIE FRIED – bitte regelmäßig lesen.
Auf der nächsten Seite fuhr er fort: Selbst wenn man nicht miteinander redet, muss doch mal was gesagt sein.
Nächste Seite, seine erste Botschaft: Hey Timmie – wie soll ich auf Frau Anatols Brief reagieren?
Fredo plazierte das Buch gut sichtbar auf dem Küchentisch. Der Schulbrief steckte gefaltet vor der Seite mit seiner Anfrage. Zufrieden betrachtete er sein Werk. Dann kehrte er in sein Zimmer zurück, zog die Laufklamotten an und ging joggen.
Nach dem Duschen setzte sich Fredo mit einem Buch auf die Terrasse seines Gästezimmers. Das Netz der Monsterspinne hing immer noch verwaist unter dem Sonnendach. Da ließ sich die Ruhe im Deckchair ungestört genießen … bis zum ersten PLOCK. Knödel, der Nachbarsjunge, malträtierte wieder den heimischen Holzschuppen mit seinem Lederball. Und schon setzte auch seine Livereportage ein: »Khedira auf Özil, der gibt hinaus auf die rechte Seite, da geht Thomas Müller in Position, ein Haken, dann die weite Flanke …«
Fredo wartete auf den Abschluss und den trockenen Einschlag auf der Schuppenwand, aber es kam nichts. Stattdessen ein leichtes Rascheln, als etwas die Hecke
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