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Mogelpackung: Roman

Mogelpackung: Roman

Titel: Mogelpackung: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Schröter
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die eine Stunde.«
    »In dem Brief von der Schule ist aber von ›wiederholtem Fernbleiben‹ die Rede.«
    »Ne, echt mal, immer nur diese Stunde!«, widersprach Tim energisch. »Und die am Freitag.«
    »Wieso ›immer nur die‹?«, wunderte sich Fredo.
    »Immer nur Bio!« Tim schrie jetzt fast. »Ich geh da nicht mehr hin!«
    »Bei mir früher war es Mathe«, versuchte Fredo ihn zu beruhigen. »Da hab ich einfach nichts gerafft, kann vorkommen …«
    »Ich geh da nicht hin, verstehst du?«
    Das war schon blanke Hysterie. »Schon gut, Timmie. Der eine kann kein Mathe, der andere kein Bio. Halb so wild.«
    »Ich kann Bio!«, fauchte Tim. »Das war sogar mal mein Lieblingsfach!«
    »Hey, ist doch super. Was macht ihr denn gerade?«
    Tims Blick verschwamm merkwürdig. »Ach, hau ab, Onkel Fredo. Hat keinen Zweck.«
    Fredo schüttelte nur leicht den Kopf und ließ den Jungen nicht aus den Augen. Als Tim sich von ihm abwandte, packte er ihn an beiden Schultern und zwang ihn so, ihm ins Gesicht zu sehen. Tim wollte sich losreißen, aber dann konnte er nicht mehr: Dicke Tränen liefen ihm übers Gesicht. Dabei zerbiss er sich fast die Lippen, nur um bloß jeden Schluchzer zurückzuhalten.
    Es zerriss Fredo augenblicklich das Herz. Er schloss den Jungen in die Arme, spürte ihn vor unterdrückter Wut und Scham zittern und fühlte sich fast so hilflos, als sei er selbst erst vierzehn. Bis Tim endlich ruhiger atmete, weniger bebte und sich von Fredos Schulter löste. Der reichte ihm kommentarlos ein Papiertaschentuch, in das Tim geräuschvoll ausschnaubte, um es dann zerknüllt hinter sich zu werfen. Es fiel zu Boden und wurde Teil des Dschungels.
    »Was macht ihr denn gerade in Bio?«, griff Fredo den Faden wieder auf, als sei nichts gewesen.
    Tim schluckte noch einmal kurz. »Sexualkunde.«
    »Ist doch ganz okay«, meinte Fredo. »Wenigstens was fürs Leben.«
    »Wenn du meinst.«
    »Wie läuft denn das heute so im Sexualkundeunterricht?«, erkundigte sich Fredo neugierig. »Bei uns war das, glaube ich, eine ziemlich verklemmte Veranstaltung. Aber eigentlich erinnere ich mich gar nicht mehr genau daran …«
    »Ich bin nicht verklemmt«, fuhr Tim auf. »Glaub ja nicht, dass ich deswegen die Schule schwänze!«
    »Dann sag mir einfach, warum du nicht mehr zu Bio gehst«, schlug Fredo vor.
    Der Junge nagte nachdenklich auf der Unterlippe, schließlich gab er sich einen Ruck. »Wegen Köhler. Dem Lehrer.«
    Und dann brach bei Tim endlich der Damm. Er erzählte, wie sie im Rahmen des Sexualkundeunterrichts auf das Thema »Verhütung« zu sprechen kamen und Herr Köhler die Aufgabe an alle stellte, zur nächsten Unterrichtsstunde ein Kondom mitzubringen.
    »Und da hast du dich nicht getraut, eins zu kaufen«, spekulierte Fredo, aber sein Neffe schüttelte entrüstet den Kopf.
    »Quatsch! Bei Papa im Nachttisch liegen immer welche, ich brauchte bloß eins zu nehmen.«
    Gut zu wissen, merkte sich Fredo. Tim setzte seinen Bericht fort. In der folgenden Biostunde wurde ein hölzerner Penis durch die Reihen gereicht, und an diesem Modell übte jeder das unfallfreie Überstreifen des Kondoms. Das klappte im Allgemeinen recht gut. Bis Tim an die Reihe kam. Das mitgebrachte Präservativ aus Papis Schublade erwies sich als zu eng und zu kurz für den Holzpimmel in handelsüblicher Erektionsgröße und zerriss bereits beim ersten Versuch, es sachgemäß in Einsatzposition zu bringen.
    »Ach du Scheiße«, entfuhr es Fredo, »da haben natürlich alle gelacht!«
    »Das ging eigentlich noch. Aber dann schreit der Köhler durch die Klasse, ich bräuchte das nicht üben – bei meinem Minipimmel bekäme ich sowieso nie eine Frau ab!«
    »Was ist denn das für ein Lehrer!«, empörte sich Fredo. »Was hast du gemacht?«
    »Ich hab zu Köhler gesagt, er sei ein Wichser! Und bin raus aus der Klasse. Das war’s dann für mich mit Bio.«
    Das verstand Fredo nur zu gut. Es wären ihm, gestand er sich ein, an Tims Stelle auch noch ganz andere Schimpfworte für Köhler eingefallen. »Mach dir nichts daraus«, versuchte er seinen Neffen zu ermutigen. »Der Typ ist einfach nur lächerlich. Nicht wert, sich so über ihn aufzuregen. Und schon gar nicht, deswegen eine Sechs im Zeugnis zu riskieren. Dann hätte er doch gewonnen! Idioten sollte man nicht gewinnen lassen.«
    Tim sah ihn traurig an. »Vielleicht ist Köhler ja gar kein Idiot. Die anderen glauben das eher nicht.«
    Das ist es also, erkannte Fredo. Tim ist sauer auf den Lehrer, aber vor

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