Mogelpackung: Roman
meiner Schüler sollte ich keine Geschenke annehmen.«
Der Vater hat ja keine Ahnung, dass ich die Pulle aus seinem Weinkeller genommen habe, dachte Fredo. »Es ist kein Geschenk. Es ist bloß der Ersatz für den Schaden, den ich angerichtet habe. Also: Bitte.«
Es geschah etwas Außergewöhnliches: Helena Anatol lächelte. Ein Anblick, bei dem Fredo das Herz aufging.
»Ich habe draußen neben Ihrem Wagen geparkt«, setzte er nach. »Dabei ist mir der Steinschlag an der Frontscheibe aufgefallen. Ich glaube, daran bin ich auch nicht ganz unschuldig! Vielleicht können wir das auch gleich noch klären?«
Ein Mann, der zu seinen Verfehlungen steht, dachte Helena. Zeichen und Wunder. Entgegen ihrer sonstigen Zurückhaltung ließ sie sich zu einem spontanen Vorschlag hinreißen: »Vielleicht erledigen wir das bei einem Kaffee? In der Konditorei am Markt? Tatsächlich habe ich sogar zwei Freistunden.«
»Gern!«, freute sich Fredo.
In der Aula und auf dem Pausenhof wimmelte es von Schülern. Große Pause. Fredo und Helena wühlten sich durch die Massen, von manchen neugierig beäugt, von den meisten unbeachtet.
»Fredo! Hey!« Ein Zweimeterhüne mit der Figur eines Schwergewichtsboxers pflügte durch die Menge auf sie zu. Sein fleischiges Gesicht strahlte, als er sie erreichte und Fredos Schulter unter einem gutgemeinten Hieb seiner Pranke zerbröseln ließ. »Fredo Fried, leibhaftig! Mann, ist das lange her …«
»Briegel?« Allmählich dämmerte es bei Fredo. »Briegel Schulz?«
»Sie kennen sich?«, kommentierte Helena Anatol überflüssigerweise, als der Hüne jetzt johlend Fredo spielerisch derart vor die Brust boxte, dass dem fürs Erste die Luft wegblieb. »Aber wieso ›Briegel‹? Sie heißen doch Lars mit Vornamen?«
Der Hüne lachte dröhnend. »Hans-Peter Briegel! Die Walz aus der Pfalz! Nationalspieler der achtziger Jahre! Ehemaliger Zehnkämpfer, ungefähr meine Statur. Der Spitzname war natürlich Fredos Idee.«
Bevor Fredo dazu Stellung nehmen konnte, raubte ihm ein weiterer Knuff den Atem. Also schwadronierte der Hüne ungebremst weiter: »In so was warst du schon immer super, was, alter Geschichtenerfinder? Kein Wunder, dass du beim Fernsehen gelandet bist!«
»Moment mal.« In Helena Anatols Miene stand wieder unverhohlenes Misstrauen. »Sie arbeiten doch im Bankwesen, Herr Fried. Und wieso Fredo? Ist das auch ein Spitzname?«
Briegels Trompetenlache enthob Fredo einer Antwort. »Der Banker ist Markus. Fredos großer Bruder! Wie geht’s dem denn, Alter?«
Fredo fühlte Helenas Blicke auf sich brennen wie die Scheiterhaufen der Inquisition. Unwillkürlich zog er den Kopf ein. »Tim ist mein Neffe! Seine Eltern sind tatsächlich in China. Und für das, was wir eben besprochen haben, ist es doch ganz egal, ob ich sein Vater oder Onkel oder sonst was bin!«
»Weil ich die Wahrheit nicht vertragen kann?«, fauchte Helena. »Sie sind einfach lächerlich, Herr Fried!«
Sie wandte sich abrupt ab und stampfte davon. Keine Spur mehr von Hüftschwung, bedauerte Fredo.
Briegel musterte ihn neugierig. »Tja. Ich fand dich auch immer ziemlich witzig. War das jetzt sehr schlimm?«
»Ich komm drüber weg. Bei ihr bin ich mir nicht sicher.«
»Als Spaßgranate ist mir die Kollegin bisher auch nicht gerade aufgefallen. Hat Haare auf den Zähnen.«
Beide sahen Helena Anatol nach, die eben auf der Treppe hinab zum Parkplatz aus ihrem Blickfeld entschwand. Fredo bediente sich der Lieblingsgeste seines Neffen – Achselzucken – und wandte sich seinem einstigen Mitschüler zu.
»Du bist hier wirklich Lehrer?«
»Sport und Religion«, bestätigte Briegel nicht ohne Stolz.
Fredo schmunzelte. »Das waren ja wohl auch die einzigen Fächer, in denen du nicht völlig durchhingst.«
»Eben«, räumte der Hüne gut gelaunt ein. »Das nennt man gut durchdachte Karriereplanung.«
»Respekt. Aber dennoch … Religion? Du?«
»Mein Reli-Unterricht würde dir gefallen.«
»Bestimmt.«
»Ich hab auch erst gedacht, das wird schwierig. Aber man kann fast alles dabei mit Fußball erklären.«
»Aha?«
»Na klar«, bekräftigte Briegel und untermauerte seine gewagte These umgehend. »Zum Beispiel die zwölf Jünger Jesu. Ist genau wie eine Fußballmannschaft mit Auswechselspieler. Jesus ist der Coach.«
»Und Gott macht das Management«, schmunzelte Fredo.
Briegel schoss ihn mit einer Pistole aus Daumen und Zeigefinger ab. »Du hast es begriffen! Die Jünger sind ganz unterschiedliche Typen. Judas ist
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