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Mogelpackung: Roman

Mogelpackung: Roman

Titel: Mogelpackung: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Schröter
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allem hat er Angst davor, Köhler könnte recht haben – und er wirklich ein Versager sein.
    »Pfeif auf die anderen!«
    Tim grinste bitter. »Genau das mach ich ja.«
    Er wandte sich wieder seinem PC zu. Ein Mausklick, und der Monitor füllte sich mit martialischen Kriegsmaschinen, grellen Detonationsblitzen und fliegenden Trümmerteilen. Tims virtuell verlängerter Arm hielt ein monströses Maschinengewehr, das im Dauerfeuer leere Geschosshülsen seitlich ausspuckte, während Horden von Angreifern mit grotesk verzerrten Fratzen im Kugelhagel verröchelten, verreckten, zerplatzten.
    Audienz beendet.

10.
    F redo fühlte sich zwanzig Jahre jünger. Vertraute Straßen, vorbei am kleinen Bahnhof. Sein alter Schulweg. Fehlte bloß noch eine Tupperdose mit Schulbrot, von Gesche fürsorglich zubereitet. Um so etwas von ihr zu bekommen, hätte er allerdings wohl schon morgens um sieben aus dem Haus gehen müssen. Jetzt zeigte die Uhr Viertel vor elf, und Spätaufsteher bekamen kein Frühstück von Gesche. Auch nicht zum Mitnehmen.
    An der langgezogenen Steigung auf den letzten paar hundert Metern zur Schule ging einem auf dem Fahrrad schon mal die Puste aus, wenn man nicht gut drauf war. Und wer war das schon, morgens vor Schulanfang, erste Stunde? Heute konnte Fredo die Steigung egal sein. In Brüderchens Limousine war das alles kein Problem. Der Benz schnurrte den Hügel hinauf, dann lag die Schule vor ihm. Ziemlich unverändert, abgesehen von einem neu angebauten Seitenflügel. Sporthalle, Hausmeisterwohnung, der Parkplatz mit Extraabteilung für die Lehrer. Natürlich waren nur noch dort freie Plätze zu entdecken. Fredo zögerte keinen Augenblick und parkte den Mercedes neben einem Wagen, der ihm sehr bekannt vorkam. Tatsächlich war an der Frontscheibe von Helena Anatols Golf noch gut die Spur des Steinschlags zu erkennen, mit dem ihre Bekanntschaft am Bornstedter Ortsschild begonnen hatte. Fredo nahm eine Tüte vom Beifahrersitz, stieg aus dem Benz und ging über den Parkplatz, vorbei am Fahrradständer, auf den sie einmal mit mindestens zwanzig Schülern das Auto des verhassten Lateinlehrers gewuchtet hatten. Ein Karmann-Ghia-Cabriolet, entsann sich Fredo jetzt genau, und dann fiel ihm auch das unendlich dämliche Gesicht des Lateinlehrers ein, als der nach Hause wollte und seine Karre aufgebockt vorfand – umzingelt von etlichen angeketteten Fahrrädern.
    Pausenhof, Aula, Sekretariat. Aus jeder Ecke sprangen Fredo die Erinnerungen an. Sogar das Elternsprechzimmer fand er, ohne danach fragen zu müssen. Eben wollte er an die geschlossene Tür klopfen, da bog Helena Anatol um die Korridorecke und kam auf ihn zu. Dank des langen, schlauchartigen Flures konnte Fredo die Herannahende ausgiebig betrachten: Heute trug sie wieder Jeans, diesmal kombiniert mit einem eng geschnittenen, roten T-Shirt, darüber eine leichte Wolljacke und eine große Umhängetasche mit aufgedrucktem »Hard Rock Café«-Label. Ihr Gang war leicht, aber zielbewusst, und die schmalen Hüften schwangen dabei gerade so weit aus, dass Fredo den Blick kaum zu lösen vermochte. Von ihm aus hätte der Korridor gerne einen Kilometer lang sein dürfen.
    »Guten Tag, Herr Fried«, begrüßte ihn Helena Anatol. Statt ihm die Hand zu reichen, schloss sie gleich die Tür zum Elternsprechzimmer auf. »Kommen Sie herein.«
    Das Interieur versprühte den Charme einer Provinzamtsstube, aber Fredo erwartete auch nicht, in einer Schule jemals einen Stuhl zu finden, auf dem es sich bequem sitzen ließe. Er wartete ab, bis die Lehrerin am Besprechungstisch Platz genommen hatte, dann griff er sich einen der übrigen Stahlrohrstühle, die allesamt schon bessere Zeiten gesehen hatten. Warum sollte es denen auch besser gehen als ihm. Die Tüte stellte er neben sich am Boden ab.
    »Sehr nett, dass Sie sich noch auf meinen Brief hin gemeldet haben«, eröffnete Frau Anatol. »Ich hatte nicht unbedingt damit gerechnet.«
    »Mit mir sollten Sie immer rechnen.« Fredo riskierte ein neckisches Augenzwinkern. »Sogar im Supermarkt!«
    Vor ihren graugrünen Augen ging schlagartig ein Schleier des Misstrauens nieder. »Sie waren absichtlich dort?«
    »Na klar. Ich wollte einkaufen. Vorsätzlich. Warum geht man da sonst hin?«
    Sie musterte ihn einen Moment lang prüfend, dann wechselte sie das Thema. »Herr Fried, es geht immer noch um Tim. Seine schulischen Leistungen sind nach wie vor völlig unzureichend. Und seine Aggressivität hatte ich ja bereits neulich angesprochen.

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