Mogelpackung: Roman
Torwart, die sind ja immer leicht durchgeknallt, und als Torwart kann man das Spiel am leichtesten verschieben. Petrus lässt niemanden unkontrolliert durch – also Innenverteidiger …«
»… der ungläubige Thomas wird Sturmspitze«, ließ sich Fredo sofort auf das Briegelsche Glaubensmodell ein. »Weil er nicht mal an den Abseitspfiff glaubt …«
»Siehste, du hast es!«
»Und was machst du mit Matthäus?«
»Ehrenspielführer. Das muss reichen.«
Sie lachten über ihre hochgeschaukelte Blödelei, bis ihnen fast die Tränen herunterliefen. Schulhof und Flachwitze, das tut gut, dachte Fredo. So ein bisschen sinnentleerte Leichtigkeit hatte ihm in der letzten Zeit gefehlt. Zu viel über die Probleme anderer Leute nachgedacht, das sollte man nicht. Ist ungesund.
Briegel wischte sich die Lachtränen aus den Augenwinkeln und fasste sich allmählich wieder. »Eigentlich hab ich mir das von dir abgeguckt.«
»Von mir?«
»Weißt du nicht mehr – so in der Zehnten, Elften? Da hast du alle Lehrer in den Wahnsinn getrieben, weil du die kompliziertesten Dinge radikal konsequent auf Fußball heruntergebrochen hast! Und weißt du was? Ein paar von deinen Sprüchen habe ich viel besser behalten als den Kram, den wir eigentlich lernen sollten.«
»Ich hab nicht mal meine eigenen Sprüche behalten.«
»Mit dem hier hast du im Philosophieunterricht aufgetrumpft: Das Leben ist wie ein Fußball – du hüpfst wie irre herum, und am Ende lässt man dir die Luft raus.«
»Mannomann. Minimalnihilismus.«
»C’est la vie.«
Sie wieherten ausgelassen, bis das Pausenläuten dem Frohsinn ein Ende setzte. Ganz wie früher, dachte Fredo wieder.
»Ich muss dann mal«, verabschiedete sich Briegel Schulz.
»Sport oder Religion?«
»Egal. Hauptsache, Fußball.«
Sie tauschten noch schnell die Handynummern aus, dann strebte Fredos einstiger Schulkamerad seiner Aufgabe entgegen: Leibes- und Geistesertüchtigung der Bornstedter Nachwuchselite. Ausgerechnet Lars »Briegel« Schulz in der Rolle eines Lehrers wiederzusehen, fand Fredo schon erstaunlich. Vielleicht hatte sich in Bornstedt ja doch mehr verändert als gedacht. Wenn er allerdings an Tims Biologielehrer Köhler dachte und an Helena Anatols beleidigten Abgang, fühlte er sich eher an die Tage seiner eigenen Schulzeit erinnert. Damals schien Humorlosigkeit eine Pflichtbedingung im Anforderungsprofil für Pädagogen gewesen zu sein. Kein Wunder, dass er sich seinerzeit dazu herausgefordert gefühlt hatte, eine Überdosis Witz dagegenzusetzen. Leider hatte das bereits damals nicht gut funktioniert. Und jetzt versagte die Methode Fredo anscheinend noch immer. Was schade war. Vor allem für Tim. Aber auch, wenn Fredos geistiges Auge die Erinnerung an Helena Anatols schwingende Hüften heraufbeschwor …
Auf dem Parkplatz sah Fredo gleich, dass der Platz neben dem Mercedes jetzt leer war. Die Lehrerin hatte nicht auf ihn gewartet. Damit hatte Fredo zwar auch nicht gerechnet, aber die Hoffnung starb zuletzt. Mit einer ähnlichen Plattheit müsste er nun Tim vertrösten, es sei denn, ihm fiele noch ein genialer Dreh ein. Momentan sah es nicht danach aus. Fredo fühlte sich reichlich geschafft. So hatte diese Schule schon immer auf ihn gewirkt.
Mit müdem Blick klemmte sich Fredo hinters Lenkrad, startete den Motor, schaltete in den Rückwärtsgang und rotzte den Benz aus der Parklücke. Diesmal schaute er sogar in den Rückspiegel. Deshalb bemerkte er die Weinflasche erst, als sie vom Autodach rutschte, auf der Motorhaube einschlug und zerbarst. Dunkler Rotwein lief über cremefarbenen Lack. Es sah aus, als blute der Wagen.
Feinster Luberon.
Schönen Dank, Frau Anatol.
11.
NEWSFLASH FAMILIE FRIED:
Fredo: Hi Timmie: Habe mit Frau Anatol gesprochen. Alles wird gut. Geh mal wieder zu Bio.
Gesche: Gruß an alle von Nicole und Markus. Haben angerufen. Klang weit weg. Wo sind die eigentlich? Morgen Schweinebraten?
Karla: Keine toten Tiere!
Tim: Lieber Tiefkühlkost? (Daneben eine perfekte Bleistiftzeichnung von Speedy im Tuppersarg.)
Karla: Perverser Stinker!!!
Gesche: Pfannkuchen?
Tim + Karla: Neinneinnein!!!!!
Fredo: Alle zusammen ins Restaurant gehen?
Ein bleistiftskizzierter Tim mit erhobenem Protestschild: Nö.
Karla: Doch lieber Pfannkuchen.
Gesche: Fredo, bitte alles für Pfannkuchen einkaufen. Du weißt schon, was.
Die wärmende Maisonne brach Knospen auf, entfaltete Laubdächer und ließ Gras sprießen. Fredo wusste über Gartenarbeit so gut wie nichts, aber
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