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Mogelpackung: Roman

Mogelpackung: Roman

Titel: Mogelpackung: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Schröter
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hatte sie zum ersten Mal ein Junge geküsst. Timo, ein Mitschüler. Bei einer Klassenreise. Nachtwanderung. Eigentlich war es mehr ein Überfall gewesen, Timo hatte hinter einem Baum gelauert. Aus der Deckung gesprungen, die überrumpelte Karla umfangen wie ein Schraubstock, ihr einen Kuss aufgedrückt und weggelaufen. Vom Kuss an sich blieb nur die Erinnerung an einen kurzfristigen Druck auf den Lippen, es fühlte sich tatsächlich so an wie: abgestempelt. Karla hatte sich nur geschämt, ihre Freundinnen gejohlt vor Neid und Empörung. Und Timo war ein paar Wochen später umgezogen oder sitzengeblieben oder beides, Karla wusste es nicht mehr. Es war auch egal. Genau wie die paar zittrigen, angstfeuchten Knutschereien auf irgendwelchen Klassenfeiern und Geburtstagspartys, die sie seitdem erlebt oder vielmehr über sich ergehen lassen hatte.
    Mit Marcel wäre es bestimmt anders. Marcel ging in die Oberstufe, gewann jeden Leichtathletik-Wettkampf ebenso unangefochten wie die Wahl zum Schulsprecher, hatte in den meisten Unterrichtsfächern mehr drauf als die Lehrer und sah einfach zum Niederknien gut aus. Marcel könnte jedes Mädchen an der ganzen Schule haben. Aber bekommen soll er nur mich, prophezeite sich Karla wohl zum tausendsten Mal. Nur mich, weil ich interessant und geheimnisvoll bin. So interessant und geheimnisvoll, dass ich sogar für erwachsene Männer gut genug bin. Wenn Marcel davon erfährt, wird er mich auch interessant und geheimnisvoll finden. Bloß: Damit er es erfährt, muss ich alles noch ein bisschen höher kochen, überlegte Karla. Eine Schippe drauflegen. Die Frage war nur, wie.
    Vom Fenster aus sah sie jetzt Fredo draußen über den Rasen zum Geräteschuppen gehen. Zum Glück hatte ihr Onkel sie nie wieder auf die Kuss-Szene angesprochen. Wahrscheinlich dachte der sich gar nichts dabei, schätzte Karla. Sie hielt Fredo grundsätzlich nicht für einen Menschen, der sich sonderlich viel Gedanken machte. Immerhin war es gar nicht besonders schlimm gewesen, ihn zu küssen. Vielleicht sogar ganz nett, gestand sich Karla ein, und die Erinnerung an den spontanen Kuss zwischen Tür und Angel formte sich zu einer Idee, dann zu einem Plan.

    Fredo zog den Rasenmäher aus dem Schuppen. Benzinmotor, alles vom Feinsten. Nichts anderes hatte er erwartet. Der Tank war gefüllt, die Maschine lief bereits nach dem ersten Startversuch rund. Und schon drängte sich Knödel wieder durch die Hecke, diesmal mit seinem Fußball in beiden Händen.
    »Erst die Arbeit«, bremste ihn Fredo. Der Junge warf ihm den Ball zu und spannte sich bereitwillig hinter den röhrenden Mäher. Während Daniel blitzsaubere Bahnen zog, alle paar Minuten den Auffangkorb zum Komposthaufen wuchtete und den Rasenschnitt entleerte, breitete sich Fredo erneut im Deckchair aus und konzentrierte sich endlich auf den Sportteil der Zeitung. Der Motorenlärm störte etwas, aber angesichts des gestutzten Rasens nahm Fredo das billigend in Kauf. Er legte seine Lektüre erst beiseite, als der Junge den Mäher abstellte und lauthals »Fertig!« brüllte.
    Sie verstauten den Mäher im Schuppen, dann legte Daniel seinen Ball erwartungsvoll aufs frisch gepflegte Grün. »In welche Richtung?«
    »Auf die Hecke«, schlug Fredo vor. »Die schluckt die Pille, und wir müssen nicht so weit hinterherlaufen.« Er wies auf den Ball. »Wie schießt du normalerweise? Rechts oder links? Innen oder außen?«
    »Rechts. Meistens mit Innenrist, außen kann ich nicht. Manchmal auch mit der Pike, aber dann motzt der Trainer immer. Da kontrolliert man den Ball nicht, sagt er.«
    »Man kontrolliert ihn damit wirklich nicht besonders gut«, räumte Fredo ein. »Manchmal geht es jedoch nicht anders. Aber wenn du richtig Dampf hinter den Ball bringen willst, musst du ihn mit Vollspann erwischen. Genau hiermit.« Fredo bückte sich und strich sich mit dem Zeigefinger über den rechten Fußrücken.
    »Hab ich schon gesehen«, erklärte Daniel. »Im Fernsehen.«
    »Und heute live. Ich zeig’s dir.«
    Fredo rückte den Fußball zurecht, nahm einen kleinen Anlauf und zimmerte das Leder per Spannstoß flach in die Hecke. Die ließ ein paar Blätter, hielt aber sicher. Fredo klaubte den Ball aus dem Gesträuch und legte ihn dem Jungen auffordernd vor die Füße.
    »Jetzt du.«
    Daniel visierte in höchster Konzentration erst die Hecke, dann den Ball an. Setzte sich in Bewegung. Holte mit dem rechten Bein aus – und hackte mit der Fußspitze voll in den kurzgeschorenen Rasen,

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