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Mohr im Hemd oder wie ich auszog die Welt zu retten

Mohr im Hemd oder wie ich auszog die Welt zu retten

Titel: Mohr im Hemd oder wie ich auszog die Welt zu retten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Horvath
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Widerstand nachlässt. Er hebt den Kopf, blickt wie ein gehetztes Tier mit weit aufgerissenen Augen von einem zum anderen, doch dann, langsam, scheint er uns zu erkennen, scheint zurückzukehren in die Gegenwart, und ich spüre, wie die Anspannung in seinen Muskeln nachlässt. Plötzlich wird sein ganzer Körper schlaff, und wir müssen ihn beinahe stützen, um ihn zu einem Sessel zu bringen. Ganz zusammengesunken sitzt er da, die Rechte hält das Amulett fest umklammert, mit ausdruckslosem Gesicht starrt er vor sich hin. Djaafar klopft ihm auf die Schulter und summt leise vor sich hin. Hans eilt zu Murad, der umringt von einigen Mitbewohnern auf der anderen Seite des Tisches sitzt. Jemand hat ihm Taschentücher in die Hand gedrückt, er versucht damit, das Blut aus seinem Gesicht zu entfernen. Über dem linken Auge klafft eine Platzwunde, aus seiner Nase rinnt Blut. Ich fürchte, das muss genäht werden, sagt Hans, nachdem er Murads Verletzungen begutachtet hat, plötzlich auf Hochdeutsch.
    Die meisten meiner Mitbewohner stehen oder knien rund um Murad, versuchen zu helfen, zeigen Anteilnahme. Yaya sitzt weiter bewegungslos in seinem Sessel, nur Djaafar steht noch immer neben ihm und klopft ihm von Zeit zu Zeit ein wenig linkisch auf die Schulter. Ich bemerke plötzlich ein leichtes Zucken an Yayas Körper, und dann sehe ich, wie langsam Tränen über seine Wangen rinnen.
    Ich wache auf, als Murad ins Zimmer kommt. Es ist 1.34 Uhr, im Halbdunkel erkenne ich, dass er einen Verband auf der Stirn trägt. Er geht noch einmal aus dem Zimmer, ich höre, wie er sich draußen leise mit Hans unterhält, bald danach kommt er zurück, zieht sich aus und legt sich ins Bett. Das Bett neben ihm ist frei, Yaya übernachtet heute auf der Couch im Wohnzimmer. Murad schläft bald, Djaafar ist gar nicht erst aufgewacht, nur ich kann nicht einschlafen. Irgendwann stehe ich auf und gehe in die Küche.
    Hallo, sagt Nicoleta und wirft mir einen verschämten Blick zu, ich habe nur … ich wollte nur …, stammelt sie, und es klingt, als müsse sie sich für ein mittelschweres Verbrechen rechtfertigen. Das Verbrechen besteht darin, dass sie sich gerade einen Nachschlag aus dem Topf holt, in dem die Reste der Acht Reste geblieben sind. Die blassblonde Nicoleta aus dem lauschigen Transnistrien, die zwar gerne kocht und über Essen spricht, die aber noch nie jemand essen gesehen hat, Nicoleta Cubreacov, deren Lieblingssatz »Ich muss abnehmen« lautet, obwohl nichts mehr da ist, dem etwas abgenommen werden könnte, Nicoleta Anorexia Cubreacov stürzt sich also nachts heimlich auf die Essensvorräte?
    Willst du das Essen nicht aufwärmen, frage ich sie auf Rumänisch, doch sie schüttelt den Kopf. So schmeckt’s auch. Sie setzt sich an einen der langen Tische. Meine Mutter hat oft Acht Schätze für mich und meinen Bruder gemacht, sagt sie und beginnt zu essen. Während ich mein Glas mit Orangensaft fülle, mache ich mir so meine Gedanken über die kulinarischen Beziehungen zwischen Transnistrien und China und beobachte Nicoleta aus dem Augenwinkel heraus. Sie isst mit hastigen Bewegungen, sie schaufelt das Essen geradezu in sich hinein. Keine Angst, beruhige ich sie, ich ess’ dir nichts weg. Sie wirft mir einen dankbaren Blick zu. Okay, antwortet sie sichtlich erleichtert. Ich trinke aus, spüle das Glas ab und stelle es in den Geschirrspüler. Lass’ es dir schmecken, sage ich, als ich an ihr vorbei Richtung Zimmer gehe, und sie bedankt sich mit vollem Mund.

5
    Die Stimmung am nächsten Tag ist gedrückt. Es ist Sonntag, es gibt keine Kurse, niemand hat wirklich etwas zu tun, noch dazu regnet es, was nicht unbedingt dazu einlädt, das Haus zu verlassen. Die einen hocken vor dem Fernseher, die anderen vor dem Computer, wieder andere haben sich zum Lesen oder Schlafen in irgendeine Ecke zurückgezogen, Afrim und Adolphe spielen Mühle. Nur Oma ist unterwegs zur Kirche, sie ist eine eifrige Katholikin und fürchtet um das Seelenheil all derer, die sonntags nicht das Wort des einzig wahren Gottes hören.
    Eine gute Seite hat das unerfreuliche Ereignis des Vortags: Murads gleich am ersten Tag geäußertem Wunsch, in ein anderes Zimmer zu ziehen, wird nun endlich nachgekommen, damit er und Yaya nicht noch einmal aneinandergeraten. Kamal, den wir im Tausch dafür erhalten, ist zwar nicht unbedingt mein Wunschzimmergenosse, aber immer noch besser Kamal das Kamel als Murad der Unerwünschte.
    Natürlich haben alle Murads Verletzungen begutachtet

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