Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mohr im Hemd oder wie ich auszog die Welt zu retten

Mohr im Hemd oder wie ich auszog die Welt zu retten

Titel: Mohr im Hemd oder wie ich auszog die Welt zu retten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Horvath
Vom Netzwerk:
konsultiert. Natürlich kennan Frauen theoretisch Präsidentin oder a Bundeskanzlerin wern, klärt er seine Schäfchen auf, oba praktisch wird dos in Österreich sicherlich no fuffzig Joar dauern. Ich werde Präsidentin, bekräftigt Amal, und dann bekommt alle Asyl in Österreich. Cool, sagt Djamila. Aber kann nicht alle nach Österreich kommen, wirft Afrim ein. Wieso nicht, kontert Nino. Der Boot ist voll, antwortet er. Wenn schon, donn das Boot, verbessert Hans ihn, oba findst du dos nit a bissl ungerecht – du sölba wüllst Asyl, oba die ondern sollen kans krieagn? Österreich ist kleines Land, rechtfertigt sich Afrim kleinlaut, gibt nicht so viel Platz. Djaafar, der zu Afrims Linken sitzt, nimmt ein Stück Brot in die Hand, häuft Fleisch und Gemüse drauf und legt es seinem Sitznachbarn neben den Teller. Afrim wirft ihm einen irritierten Blick zu. Was ist, fragt er mit vollem Mund. Das Brot ist voll, hat Djaafar einstweilen auf seinen Notizblock geschrieben und hält ihn in die fröhliche Runde. Einmal mehr wird mir schmerzlich bewusst, wie sehr ich mich von diesem hoffnungslos ahnungslosen Haufen abhebe.
    Dann drehe ich den Spieß um und frage Hans, was er denn tun würde, wenn man ihm Asyl gewährte. Er braucht nicht Asyl, er ist doch Österreicher, ruft Djamila aus. Hans nimmt die Nickelbrille ab und fängt an, sie mit seinem zerknitterten T-Shirt zu putzen. Du maanst fir den Foll, doss Kärnten sei Unabhängigkeit erklärt und die Slowenen zur Jogd freigeben wern? Hans Pogatschnigg wurde ja vor neununddreißig Jahren in Österreichs südlichstem Bundesland unter Schmerzen in die Welt gepresst, er kann nichts dafür, er hat es sich nicht ausgesucht. Die Großeltern väterlicherseits, in ihren Adern floss jedoch das falsche Blut, das volksfremde, über ihre Lippen kamen die falschen Worte, Worte in einer minderwertigen Sprache, für die man sich schämen musste, die Sprache der Feinde, gegen die das Heimatland verteidigt werden wollte, jetzt und immerdar. Hans’ Eltern wollten diese Sprache nicht – Redt’s deitsch, herrschte der Vater seine Eltern an, wenn sie sich auf Slowenisch unterhielten –, und Hans lernte die Sprache später heimlich von der Großmutter. Wenn Kärnten unabhängig wird, sagt Hans und setzt die Brille wieder auf, dann – – – doch der Rest des Satzes bleibt ihm und uns erspart, denn in diesem Augenblick hört man plötzlich ein dumpfes Geräusch und im selben Moment einen Schmerzensschrei.
    Im Nachhinein ist schwer zu sagen, wer mit dem Streit begonnen hat. Die eine Seite behauptet, Murad hätte Yaya das Amulett weggenommen, die andere glaubt, es sei zu Boden gefallen, Murad hätte es nur aufgehoben. Als ich meinen Blick Yaya und Murad zuwende, liegt Letzterer auf dem Boden, seine linke Hand ist zur Faust geballt, ein Lederband lugt daraus hervor. Yaya stürzt sich auf ihn, doch Murad gelingt es, gerade noch rechtzeitig auszuweichen. Gib mir das Amulett zurück, schreit Yaya auf Krahn, außer sich vor Wut. Murad springt auf und macht zwei oder drei schnelle Schritte zur Tür hin. Plötzlich hechtet Yaya mit einem Riesensatz hinterher, er erwischt Murad an den Schultern, beide Körper krachen mit voller Wucht zu Boden. Yaya, obenauf, dreht Murads Arm blitzschnell nach hinten und entwendet ihm das Amulett, dann fasst er ihn an den Haaren und schlägt seinen Kopf mit aller Kraft auf den Boden, ein Mal, zwei Mal, drei Mal. Ich bring dich um, schreit er, und erst da gelingt es Hans und unserem Zivildiener Fabian, ihn von Murad wegzureißen. Er schlägt wild um sich, befreit sich kurz aus der Umklammerung der beiden, ich komme zu Hilfe, zu dritt gelingt es uns, Yaya erneut zu fassen. Alle reden beruhigend auf ihn ein: Du hast dein Amulett ja wieder, Beruhig dich, Ist ja gut. Ihr habt alle Frauen und Kinder umgebracht, ihr Schweine, schreit er, ich hab’s gesehen, ich hab’ die aufgeschlitzten Bäuche gesehen, ich bring euch alle um! Yaya, versuche ich es in seiner Muttersprache, du bist hier bei uns im Leo, in Wien, in Österreich, du bist in Sicherheit. Er bekommt eine Hand frei und trifft Hans mit einem heftigen Faustschlag im Magen. Hör endlich auf, schreit Djamila, Hör auf, rufen einige der umstehenden, fassungslos dreinblickenden Jugendlichen. Siehst du, Yaya, da ist Djamila, spreche ich weiter mit ruhiger Stimme auf ihn ein, da ist Nino, da ist Nicoleta. Wir wollen alle, dass du dich wieder beruhigst, dass du dich wieder mit uns an den Tisch setzt. Ich merke, dass sein

Weitere Kostenlose Bücher