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Mohr im Hemd oder wie ich auszog die Welt zu retten

Mohr im Hemd oder wie ich auszog die Welt zu retten

Titel: Mohr im Hemd oder wie ich auszog die Welt zu retten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Horvath
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Gemüse. Was, Hund? Nein danke.
    Kommt Amal also vielleicht gar nicht wirklich aus Gambia, überlege ich im Stillen, sondern aus dem ehemaligen Belgisch-Kongo? Sag’ mir, was du isst, und ich sage dir, wer du bist – man sollte den Damen und Herren auf dem Bundesabschiebeamt diese Idee für ein neues Gesellschaftsspiel unterbreiten. Amal wäre jedenfalls nicht die Erste, die falsche Angaben über ihre Herkunft macht.
    Aber machen wir doch lieber Taka’n’Tunga, sage ich laut. Es handelt sich dabei um ein Gericht aus meiner Heimat, dessen wörtliche Übersetzung Schlange auf dem Baum lautet, das jedoch nicht mit Schlangenfleisch, sondern mit Aal zubereitet wird. Keine Reaktion. Oder Antilopensteaks und als Nachspeise Mohr im Hemd. Wieder nichts. Oder Affenhirn, schlage ich vor. Endlich gibt es Reaktionen in Form von Ekelsbekundungen. Man nehme einen Affen und öffne ihm bei lebendigem Leibe die Schädeldecke, beginne ich die Zubereitung zu beschreiben, während die einen protestieren und die anderen in Ohnmacht fallen. Banausen, rufe ich aus und spiele den Beleidigten, ihr habt ja keine Ahnung von Esskultur! Chinesisch, schlägt Liu vor. Ja, sagt Djamila, chinesisch ist gut, und andere pflichten ihr bei. Chinesische Küche, oder besser das, was sich meine Genossinnen und Genossen darunter vorstellen – man nehme von allem ein bisschen, schneide es in kleine Stücke, gieße Sojasauce drüber, und fertig ist der Zauber –, das ist der kleinste gemeinsame Nenner, auf den sich dieser Ignorantenhaufen bringen lässt, chinesische Küche, das ist der faule Kompromiss, den UMF s – Unwissende Möchtegern-Frühlingsrollenbrater – aus zwölf Nationen nach langen und heftigen Diskussionen eingehen.
    Nun stehen und sitzen jedenfalls alle in der Küche, um Hans’ und Lius Anweisungen zu folgen. Liu, der mit dreizehn illegal nach Österreich kam, kennt sich aus, Liu musste jahrelang in einem Chinarestaurant schuften, um die Kosten für seine Flucht in den Westen abzuzahlen. Ausgerechnet Acht Schätze gibt es, wo doch jeder weiß, dass erfahrene Köche das Gericht hinter vorgehaltener Hand statt als Ba Shen als Ba Sheng bezeichnen, Acht Reste also, ein Gericht, bei dem man alles, aber auch wirklich alles hineinwerfen kann, für das aber vorzugsweise die billigsten Zutaten oder Reste verwertet werden, bevor sie vollends verderben – UMF steht für Übelkeit Macht Frei … Aber mit uns kann man’s ja machen, wir sind ja nur Asylwerber, und minderjährig und unbegleitet noch dazu, auf einen mehr oder weniger kommt’s ja wirklich nicht an, ganz im Gegenteil. Mir sollten dos Gericht Zwölf Schätze nennen, schlägt Hans vor, nach die zwölf Länder, die grod bei uns vertreten san.
    Wenn ich bekomme Asyl, dann ich mache Restaurant, sagt Liu zufrieden, als wir schließlich nach getaner Arbeit beim Essen sitzen. Super, da können wir gratis essen, freut sich Djamila. Liu grinst. Vielleicht, antwortet er. Wenn ich bekomme Asyl, ich esse jede Tag Wiener Schnitzel, plärrt Afrim mit vollem Munde in die Runde. Ich auch, ruft Tomo. Und wer wird zahlen, fragt Kamal. Ich heirate Österreicherin, immer kocht für mich, antwortet Afrim. Wer will dich heiraten, neckt Nino ihn. Alle Frauen, gibt Afrim großspurig zurück, und Nino verdreht die Augen. Und wos wirst du mochen, wenn du Asyl kriegst, fragt Hans sie. Rotkäppchen faltet die Hände und schlägt bescheiden die Augen nieder. Ich werde ein Heilige, sagt sie. Ich dachte, das bist du schon, sage ich, doch mein Einwurf geht im allgemeinen Gelächter unter. Mit so etwas macht man keine Witze, sagt Murad, der Unerwünschte, auf Tschetschenisch, doch ich bin der Einzige, der ihn versteht. Der verächtliche Blick, den er Nino dabei zuwirft, lässt sogar mich erschauern. Dieser Mann ist gefährlich, ich sagte es ja, schaut nur, die ihr euch zu sehen weigert, wie er sich über seinen Talibanbart streicht und dabei Böses ausheckt! Doch die anderen schauen weder, noch sehen sie, auf welche Katastrophe wir unweigerlich zusteuern.
    Die Frage wird an Amal weitergegeben, ein Mal und ein zweites Mal, und es dauert, bis der innerste Mauerring erreicht und Amal im Bilde ist. Wenn ich habe Asyl, ich werde Präsident, spielt sie mit. Präsidentin, bessert Djamila sie aus. Wieder gibt es Gelächter und Spott. Frauen können nicht Präsident sein, trompetet Afrim voller Überzeugung in den Raum. Blödsinn, gibt Djamila zurück: Trottel, assistiert Nino mit ihrem Lieblingsschimpfwort. Hans wird

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