Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mohr im Hemd oder wie ich auszog die Welt zu retten

Mohr im Hemd oder wie ich auszog die Welt zu retten

Titel: Mohr im Hemd oder wie ich auszog die Welt zu retten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Horvath
Vom Netzwerk:
mir. Ich drehe mich um, ein weißer Mann starrt mich an. Was du machen, fragt er erneut mit bierschwangeren Worten. Was ich machen? Ja, was du machen? Ich lege den Finger auf die Lippen. Pst, flüstere ich, nicht so laut. Was, wieso, fragt er verwirrt. Ich sein Moslem, lasse ich ihn wissen. Ja … was? Das heißt, ich planen Anschlag, wie alle Moslem. Er duckt sich, als hörte er schon das Krachen der Bomben. Furchtbares Anschlag, mit furchtbar viel Tote, flüstere ich. Er blickt mich mit großen Augen an. Aber du … du bist doch schwarz. Bingobongo, bestätige ich. Aber … wie kannst du dann Moslem sein? Du meinen, Schwarze machen Handel mit Drogen, Moslem machen Anschlag? Sein Blick erhellt sich. Ja, genau, ganz genau! Ich ziehe ihn ein wenig weiter weg von Miras Tisch. Schwarzer Moslem noch viel gefährlicher wie weißer Moslem, kläre ich ihn auf. Schwarzer Moslem macht alle tot, mit Drogen oder mit Anschlag, ist ganz egal. Große Besorgnis macht sich auf seinem Gesicht breit.
    Ich würde ihm gerne noch mehr über die Gefährlichkeit dunkelhäutiger Muselmanen erzählen, doch aus dem Augenwinkel heraus sehe ich, dass Mira und Alenka im Gehen begriffen sind. Ich müssen gehen, Opfer warten schon, flüstere ich ihm zu, und angsterfüllt zieht der weiße Mann von dannen in ein mit einem Mal noch viel ungewisseres Hinnen.
    Mira und Alenka gehen schweigend zwischen den verlassenen Marktständen stadtauswärts, ich singe ein Liedchen, während ich ihnen mit dem nötigen Sicherheitsabstand folge: Es geht ein Mi-Ma-Muselmann in eurem Land herum, fidibum, er zündet viele Häuser an und legt die Leute um. Er rüttelt sich, er schüttelt sich, er wirft sein Bömblein hinter sich, es geht ein Mi-Ma-Muselmann in eurem Land herum, bumm!
    Auch Rotkäppchen wird tags darauf mit einem Lied bedacht. Tränen benetzen gerade ihre zarten Wangen wie Tautropfen die Blütenblätter einer Rose, Baby don’t you, don’t you cry tonight, versuche ich sie zu trösten, und sie ringt sich ein tapferes Lächeln ab. Dann schluchzt sie auf und wischt sich mit dem Handrücken über die Wange, ein großes Messer wird dabei sichtbar. Don’t, rufe ich, don’t you take it so hard now and please don’t take it so bad, I’ll still be thinking of you and the wonderful times we had. Trottel, sagt Nino Rotkäppchen. Okay, okay, beschwichtige ich, ich hör’ ja schon auf. Nino sitzt in der Küche und schneidet Zwiebeln, ich hocke daneben und zerdrücke Knoblauch. Auch rundherum wird an zwei langen Tischen fleißig geschnipselt, geraspelt und gehobelt, und selbst Murad, der sich zuvor noch mokierte, Kochen sei keine Männerarbeit, sitzt da und schneidet brav Gemüse. Dos Fleisch muass no dünner sein, sagt Hans auf Kärntnerisch zu Oma, ich übersetze es in ihre Muttersprache Ijaw. So musst du schneiden, sagt Liu Xingjian zu Nicoleta Cubreacov, er nimmt ihr das Messer aus der Hand und schneidet die Karotten mit großer Geschwindigkeit in lange, schmale Streifen. Wow, sagt Nicoleta bewundernd, schneller wie mein Mutter, und das ist ein großes Lob, denn Nicoleta liebt nichts mehr, als von den zahllosen Talenten ihrer Mutter in Transnistrien zu schwärmen.
    Am Wochenende haben Chin und Khady, unsere beiden Köchinnen, frei. Meist gilt dann so wie an den Abenden unter der Woche das Prinzip der Selbstversorgung, jeder muss also auf die Jagd gehen und seine eigene Beute erlegen. Nicht jedem ist allerdings die schlankfüßige Tochter Kronions hold, und manchmal erbarmt sich deshalb einer unserer Wärter und organisiert eine gemeinsame Kochaktion. Wos sull ma denn om Wochenende kochen, fragte Hans daher vor ein paar Tagen, denn die Aktion will geplant, der Einkauf rechtzeitig erledigt sein. Wiener Schnitzel, lautete Afrims rasche Antwort. Afrim weiß, was er diesem Land schuldig ist, und es ist eine der wenigen Vorlieben, die ihn mit seinem Erzfeind Tomo verbinden: Unser tägliches Schnitzel gib uns heute, so beten sie gemeinsam Tag für Tag, und vergib uns unsere kleinen Schnitzer, wie auch wir vergeben anderen Schnitzelessern. Das gab’s doch erst letztes Wochenende, kommt sofort Protest von der Gemüsefraktion. Macht nix, meinen Tomo und Afrim gleichzeitig. Soso ya kolamba na loso na ndunda, lässt sich Amal aus der Reserve locken. Ja, ruft Adolphe erfreut. Wie bitte? Soso ya kolamba na loso na ndunda ist ein festliches Gericht aus der Demokratischen Republik Kongo, aus Adolphes Heimat also, kläre ich meine unwissenden Freunde auf, Huhn mit Reis und

Weitere Kostenlose Bücher