Mohr im Hemd oder wie ich auszog die Welt zu retten
in vielen Fällen durch eine Kombination von Psychotraumatologie und medikamentöser Therapie wie etwa Fluctin oder Zoloft behandelt. Bei schwerer Traumatisierung kann eine stationäre Traumatherapie sinnvoll sein. Auf jeden Fall sollte zunächst einmal sichergestellt werden, dass die betroffene Person keinen weiteren Traumaeinwirkungen ausgesetzt wird. Das Wichtigste ist dabei das Herstellen einer Umgebung, in der sich der Traumatisierte sicher und möglichst geborgen fühlt. Das geht ungefähr so … Dr. Idaulambo setzt sich neben die Interviewerin auf das Sofa und legt ihr den Arm um die Schulter, er lässt den Kopf auf ihre Brust sinken.
Aber, Herr Doktor!!!
Keine Angst, junge Dame, ich demonstriere doch nur die Grundsätze unseres therapeutischen Ansatzes!
Ach so.
Apropos geborgen und wohlfühlen – wollen Sie nicht diese hässlichen Schuhe ausziehen? Ihre schönen Füße werden sich bestimmt gleich viel besser fühlen. Dr. Idaulambo kniet sich vor die Interviewerin und streift ihr den rechten Schuh ab.
Aber was tun Sie denn da, Herr Doktor!
Dr. Idaulambo nimmt den Fuß und beginnt ihn zu massieren. Ist das nicht gleich viel besser?
Also … äh … ja, schon, aber … aber wenn uns jemand sieht?!
Dr. Idaulambo dreht sich nach links und dann nach rechts und breitet mit theatralischer Geste die Hände aus. Die Welt ist herzlich eingeladen, Sie und mich in unserer vollen Schönheit zu bewundern.
Aber … das Interview, ich habe doch noch ein paar Fragen zur post … also zu dieser Dingsbumsstörung.
Dr. Idaulambo setzt sein charmantestes Lächeln auf. Aber das würde doch jetzt nur stören.
Beide schweigen eine Weile, während Dr. Idaulambo weiter den Fuß der Interviewerin massiert. Sie scheint es zu genießen und stößt leise, wohlige Seufzer aus. Wussten Sie übrigens, dass ein guter Psychiater anhand der Füße seiner Patientinnen sehr zuverlässige Aussagen über deren Psyche machen kann? Also ich kann Ihnen beispielsweise auf den Kopf oder vielmehr auf den Fuß zusagen, dass Sie noch nie an posttraumatischer Belastungsstörung zu leiden hatten. Und wenn ich die Zehenballen hier so anfühle – er drückt mit dem Daumen in die Grube zwischen Großzehen- und Kleinzehenballen –, dann schließe ich darauf, dass Sie zu Entscheidungsschwäche neigen. Stimmt’s?
Ja, Sie haben leider recht. Ihre Seufzer werden lauter.
Und wenn ich mir die Venen auf Füßen und Beinen ansehe, dann gehe ich davon aus, dass es in Ihrer Familie einen schwerwiegenden geschwisterlichen Konflikt gibt. Dr. Idaulambo zeichnet den Verlauf der Venen mit dem Zeigefinger nach, auf dem Fuß zuerst, dann auf dem Unterschenkel.
Aber, Herr Doktor!
Zwischen zwei Schwestern, habe ich recht? Dr. Idaulambo fährt mit dem Zeigefinger sanft weiter Richtung Oberschenkel.
Ja … aber … DAS INTERVIEW!!!
Dr. Idaulambo lächelt und lässt sich nicht beirren, die Interviewerin stöhnt auf, sie – – –
Jemand rüttelt mich an der Schulter. Ich blicke auf. Hallo, grüße ich ein wenig verwirrt, und Djaafar lässt sich neben mir auf dem Gerüst nieder. Ich will ihn schon verfluchen, weil er mein Tête-à-Tête, nein, mein Main-à-Pied unterbrochen hat, doch dann bemerke ich, wie er die Utensilien für den Ofenbau auspackt. Gut, gut, ich erkenne den Willen zur Wiedergutmachung, es sei ihm verziehen, er kommt aus Afghanistan, er weiß, was sich gehört an einem verregneten Sonntagnachmittag. O, du schwarzer Afghane, beginne ich leise zu singen und lehne mich in der Vorfreude auf das Kommende entspannt zurück, on a Sunday afternoon sidewalk I’m wishin’, Lord, that I was stoned, singt es in mir weiter. Mit geschickten Bewegungen baut Djaafar einen schönen holländischen Ofen, er füllt ihn mit köstlichem Nougat. Was möchtest du werden, wenn du Asyl bekommst, könnte ich ihn nun fragen. Ich werde Hafnermeister, wäre die passende Antwort. Auf dich ist Verlass, sage ich laut und klopfe Djaafar auf die Schulter. Wenn das der Onkel wüsste, schreibt er auf seinen Block. Wir grinsen beide, und der Sonntag ist gerettet.
Am Tag darauf gibt es für Djaafar nicht mehr viel zu lachen. Die Post bringt allen was, im Falle Djaafars einen negativen Asylbescheid zweiter Instanz. Eine zweite Hoffnung ist vorbei, ein zweites Leben verwirkt, nun bleibt als letztes Mittel nur noch die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Doch die kostet Geld und hat nur selten Erfolg, und überdies wird von fleißigen Gesetzgebern schon daran gearbeitet,
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