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Mohr im Hemd oder wie ich auszog die Welt zu retten

Mohr im Hemd oder wie ich auszog die Welt zu retten

Titel: Mohr im Hemd oder wie ich auszog die Welt zu retten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Horvath
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Zeitalter der politisch korrekten Geschlechtshauptströmungsformung, von manchen Gendermainstreaming genannt, leben, richtet sich das Kursangebot auch an Männer, auch sie sollen von Profis lernen, wie sie ihren Körper möglichst professionell verkaufen können.
    Wir absolvieren natürlich zuerst den üblichen Trockenschwimmkurs, bevor wir ins kalte Wasser der Praxis geworfen werden. Anbraten für Anfänger, so lautet der Titel eines von mehreren Einführungsvorträgen. Frau Helga und Herr Toni haben die ungeteilte Aufmerksamkeit der Zuhörerinnen und Zuhörer, doch plötzlich wird es unruhig in den vorderen Reihen. Es ist Gloria, eine junge Frau aus Uganda, sie spricht auf Nicoleta ein, während Frau Helga und Herr Toni gerade von der Wahl der richtigen Arbeitskleidung erzählen. Nicoleta lehnt sich an ihre Nachbarin. Hilfe, sagt Gloria plötzlich, sie ist … sie ist krank. Frau Helga wendet sich den beiden Mädchen zu, irritiert zuerst, dann besorgt. Sie ist …, setzt Gloria wieder an, doch es fehlt ihr das richtige Wort. Die Kleine ist ja ohnmächtig, spricht Frau Helga das fehlende Wort aus. Und dann sind plötzlich alle um Nicoleta versammelt, ihr Gesicht, das auch unter normalen Umständen keine gesunde Farbe hat, ist totenbleich, Gloria und Frau Helga und Herr Toni versuchen, sie zum Leben zu erwecken. Man öffnet ihre Weste und Bluse. Wasser, wir brauchen Wasser, ruft Toni. Macht das Fenster auf, befiehlt Helga, und dann schlägt Nicoleta die Augen wieder auf. Mit panischem Ausdruck mustert sie ein Gesicht nach dem anderen, sie blickt um sich, als wäre sie gerade von einem fremden Stern auf die Erde gefallen und hätte den ersten Kontakt mit der Gattung Homo sapiens aufgenommen. Erst nach und nach kommt sie wieder zu sich und zu uns. Hey, Nicoleta, fragt Nino, geht wieder besser, und Nicoleta nickt langsam und vorsichtig mit dem Kopf.
    Die Kleine ist schwanger, sagt Frau Helga mit Kennerinnenblick, hundertprozentig. Nino blickt überrascht auf, ihr Blick geht ein paar Mal zwischen Nicoleta und Frau Helga hin und her, wird nachdenklich und auch ein wenig skeptisch. Nicoleta, gerade erst ins Leben zurückgekehrt, reagiert nicht darauf. Ist das – wenn es denn stimmt – Nicoletas Geheimnis oder jedenfalls ein Teil davon?
    Die Farbe kehrt in ihr Gesicht zurück, die anderen nehmen ihre Plätze wieder ein. Wo waren wir stehen geblieben, versucht Frau Helga den Faden wiederaufzunehmen. Nino und ich begleiten Nicoleta hinaus, wir setzen uns auf schäbige Plastikstühle in einer Raucherecke, mit fahrigen Bewegungen fingert Nicoleta eine Zigarette aus ihrer Handtasche und zündet sie an. Wir sprechen nicht über das, was geschehen ist, wir reden über belanglose Dinge, selbst Nino beteiligt sich Nicoleta zuliebe an dem sanft dahinplätschernden Kleingespräch. Nino, die Gespräche mit Personen weiblichen Geschlechts normalerweise als Zeitverschwendung empfindet – wo es doch so viele Männer auf der Welt gibt –, Nino, deren Mitgefühl ansonsten an der eigenen Haustür endet, Nino kann also, wenn sie nur will. Allzu lange will sie dann aber doch nicht, Nahum, der Mann ihrer derzeitigen Träume, wartet ja im Kursraum, Nicoleta geht es ohnehin wieder besser, sie lässt uns beide also allein zurück, endlich, endlich.
    Nicoleta zündet sich die nächste Zigarette an und nimmt einen tiefen Zug. Jetzt ist die Stunde der Wahrheit gekommen, jetzt gibt es kein Entkommen mehr, Frau Cubreacu. Ich muss sie überfallen, sie mit der richtigen Frage überraschen, jetzt, da sie noch ein wenig benommen ist von ihrem Ohnmachtsanfall. Bist du wirklich schwanger, das ist die erste Frage, die mir in den Sinn kommt, doch mein Instinkt rät mir davon ab. Und dann hab’ ich sie, die richtige Frage, die Frage, die Licht ins Dunkel bringen und der Wahrheit zum Durchbruch verhelfen wird: Wie lange hast du eigentlich in Serbien gelebt? Nicoleta überlegt nicht lange. Ungefähr acht Monate, antwortet sie in ihrer Muttersprache, und dann greift sie sich erschrocken an die Lippen. Doch zu spät, Frau Cubreacu, zu spät, die Falle ist zugeschnappt. Woher weißt du das, fragt sie, und dann bricht plötzlich der Damm unter der Last viel zu langen Schweigens und Versteckens. Tränen stürzen aus ihren Augen, Worte strömen aus ihrem Mund, chaotische, ungeordnete Worte, die hierhin und dorthin springen, und es dauert eine ganze Weile, bis es mir gelingt, durch beruhigende Einwürfe und geschickte Fragen die Wortkaskade zu verlangsamen, in

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