Mohr im Hemd oder wie ich auszog die Welt zu retten
einem Gemisch aus Deutsch, Englisch, Russisch und Rumänisch, gut gelaunte Worte, denn Kurt ist in Feierlaune, nun zieht sie ihn im Flur in eine Ecke und spricht auf ihn ein, bittet, fleht – und Kurt sagt Ja. Ich habe kein Geld, sagt Nicoleta. Na, dann zahlst eben in Naturalien, lautet seine joviale Antwort, und Nicoleta versteht und nickt. Ein paar Minuten später sind sie in Kurts Sattelschlepper, Kurt fährt, Nicoleta liegt in der Schlafkabine hinter ihm. Du bist mei Geburtstagsgeschenk, sagt er ein paar Mal und lacht hell auf, erst nach mehr als einer Stunde erlaubt er ihr, sich auf den Beifahrersitz zu setzen, und seine Blicke in den Rückspiegel werden seltener und entspannter.
Kurt spricht und versteht sogar ein paar Brocken Rumänisch, seine erste Frau – mittlerweile ist er bei der dritten angelangt – war Rumänin. Sie haben nicht vereinbart, bis wohin Nicoleta mitfahren würde, nur weg aus ihrem Gefängnis, möglichst weit weg, das war alles, was zählte. Als sie sich nun der Grenze zwischen Serbien und Ungarn nähern, fragt Kurt nach ihrem Reisepass, als sie antwortet, sie habe keinen, steigt er plötzlich auf die Bremse und lässt den Lkw am Straßenrand ausrollen. Er fängt zu fluchen an. Nicoleta bettelt und fleht erneut. Ich bezahle, verspricht sie, ich bezahle. Kurt macht eine wegwerfende Handbewegung. I geh’ doch net ins Gfängnis wegen dir, empört er sich, doch dann stößt er plötzlich einen großen Seufzer aus. I waaß net, warum i ma des antua, murmelt er vor sich hin, während er das Handschuhfach aushängt und mit einem Schraubenzieher einen Teil der Verkleidung entfernt. Zwischen Armaturenbrett und Vorderfront wird ein enger, lang gestreckter Hohlraum sichtbar. Kurt hat darin ungefähr dreißig oder vierzig Stangen Zigaretten und ein paar Flaschen Whisky gelagert, die er nun anders verteilt. Da, sagt er und deutet auf die Lüftungsklappe, nachdem er Nicoleta geholfen hat, ihr Versteck einzunehmen, da ist Luft. Nicoleta nickt, und Kurt schließt die Verkleidung.
Sie erreichen die serbische Seite der Grenze, es ist spät, es sind kaum Pkws unterwegs und nur ein Lkw vor Kurt. Er kennt die beiden diensthabenden Zöllner, er begrüßt sie wie alte Bekannte, scherzt und lacht mit ihnen, reicht ihnen ein paar Bierdosen aus dem Kühlschrank, im Reisepass liegt, ich sehe es deutlich vor mir, diskret ein Fünfzig-Euro-Schein, und nach ein paar Alibikontrollen öffnen die Zöllner den Grenzbalken. Doch dann geht es auf die ungarische Seite, und hier helfen weder Scherze noch Bierdosen, das Geld wird schroff zurückgewiesen, die Kontrolle umso genauer durchgeführt. Alle Papiere werden einer peniblen Prüfung unterzogen, Kurt muss den Frachtraum öffnen, und alles, alles wird durcheinandergeworfen und auseinandergenommen. Schließlich ist das Fahrerhaus an der Reihe, die Zöllner durchstöbern Schlafkabine, Kühlschrank und diverse Laden und Fächer. Und dann wird das Handschuhfach inspiziert. Der Zöllner will von jedem Gegenstand, und sei er auch noch so alt, Kaufpreis, -datum und -ort wissen, dann zückt er einen Schraubenzieher und beginnt, die Abdeckung des Armaturenbretts aufzuschrauben. Ein Kollege ruft ihn, er unterbricht seine Tätigkeit, der Kollege bringt Kurts Papiere, Kurt, der trotz Kälte ins Schwitzen geraten ist, darf einsteigen und abfahren. Nach ein paar Hundert Metern stößt er plötzlich einen Tarzanschrei aus, trommelt sich wie wild auf die Brust. Mir ham’s gschafft, mir ham’s den Idioten zeigt! Zehn Minuten no, zehn Minuten, Mäderl, dann kannst raus. Nicoleta reagiert nicht. He, Mäderl, is’ alles okay? Wieder keine Antwort. Bei der nächsten Möglichkeit bleibt Kurt stehen. Alles okay, fragt er immer wieder besorgt, während er mit ungeduldigen Händen den Zugang zu Nicoletas Versteck freilegt. Ja, alles okay, antwortet Nicoleta schließlich und reibt sich verschlafen die Augen.
Kurt hilft ihr heraus, sie fahren noch ein Stück und bleiben dann bei einer Raststätte stehen. Beide gehen ins Gebäude, als Nicoleta zurückkommt, hat sich Kurt schon in seine Schlafkabine zurückgezogen, auf der Fahrerbank liegt eine Decke. Ich bezahle, sagt Nicoleta. Er steckt den Kopf aus der Kabine. Mäderl, sagt er, du bist so oid wia mei Tochter, i bin ja ka Kinderschänder. Dann legt er sich hin, kurze Zeit später hört Nicoleta regelmäßiges Schnarchen.
Am nächsten Tag durchqueren sie Ungarn, Kurt ist gut gelaunt, er spricht und spricht und spricht, erzählt seine ganze
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