Mohrenwäsche
Heilbad gewesen, aber in den letzten Jahren war sie wie Piemburg vergessen und als Ferienzentrum von den Wolkenkratzern und Motels an der Küste verdrängt worden.
6
Am Freitagmorgen war der Kommandant früh wach und auf der Straße nach Weezen. Er hatte seine Angel und alles Drum und Dran, das er sich für die Ferien gekauft hatte, schon am Abend zuvor in den Kofferraum seines Autos gepackt und trug nun seine Norfolk-Jacke und die braunen Lochmusterschuhe. Während er die lange Steigung aus Piemburg hinauffuhr, sah er ohne Bedauern auf die roten Blechdächer hinunter. Es war lange her, seit er sich das letzte Mal Ferien gegönnt hatte, und er freute sich darauf, aus erster Hand zu erfahren, wie die britische Aristokratie auf ihren Landsitzen wirklich lebte. Als die Sonne aufging, bog der Kommandant am Leopard’s River von der Nationalstraße ab und rumpelte wenig später über die Huckel einer unbefestigten Straße auf die Berge zu. Um ihn herum veränderte sich das Land entsprechend der Rasse seiner Bewohner: er sah sanft welliges Weideland in den weißen Gebieten, und den Voetsak River hinab, der zu Pondoland gehörte und also schwarzes Gebiet war, völlig ausgebrannte Steppe, wo Ziegen auf die unteren Äste der Bäume kletterten, um von den Blättern zu fressen. Der Kommandant übte, englisch zu sein, indem er die Afrikaner am Straßenrand anlächelte, stieß aber kaum auf Gegenliebe und gab es nach einer Weile auf. In Sjambok hielt er, um seinen Morgenkaffee zu trinken, den er auf englisch statt seines üblichen Afrikaans bestellte, und er freute sich, als der indische Kellner ihn taktvoll fragte, ob er ein Besucher aus Übersee sei.
Er verließ Sjambok in sprühender Laune, und eine Stunde später schlängelte er sich die Paßstraße zum Rooi Nek hinauf. Oben stieg er aus dem Wagen und besah sich das Land, das in letzter Zeit seine Phantasie so stark beschäftigt hatte. Die Wirklichkeit übertraf alle seine Erwartungen. Weezen lag auf einem welligen Hochland mit sanften Hügeln und Wiesen, durch das sich Bäche zu einem trägen Fluß wanden, der in der Ferne glitzerte. Hier und da verdunkelte ein Wald eine Berglehne oder säumte den Fluß, um der Landschaft ein dunkleres Grün einzuweben, oder ein Gehölz nahm ein Bauernhaus in seinen Schutz. Über dem Plateau erhoben sich in der Ferne die Berge in einer gewaltigen Halbmondform, und über ihnen dunkelte zum Zenith hin wiederum ein Himmel von makelloser Bläue. Für Kommandant van Heerden, der aus der staubigen Dürre des Rooi-Nek-Passes kam, sprach das Land vor seinen Augen von den Grafschaften Englands. »Genau wie das Bild auf einer Keksdose«, murmelte er hingerissen, »nur wirklicher«, ehe er wieder auf seinen heißen Autositz kletterte und weiterfuhr, die kurvige Schotterstraße hinunter nach Weezen.
Auch hier wurden seine Hoffnungen mehr als erfüllt. Die kleine Stadt, kaum größer als ein Dorf, war in ihrem ursprünglichen Zustand erhalten. Eine aus Stein erbaute Kirche mit einem überdachten Friedhofstor, ein prachtvolles Rathaus im Kolonialstil mit rostenden eisernen Wasserspeiern und eine Reihe von Läden unter einem Laubengang blickten auf einen Platz, in dessen Mitte Königin Victoria rundlich saß und mit deutlichem Widerwillen über einen Kaffer wegsah, der schlafend auf einer Bank in dem Garten zu ihren Füßen lag. Was sich auch sonst seit ihrem Diamantenen Krönungsjubiläum in Südafrika verändert haben mochte, klar war, daß Weezen das nicht getan hatte, und der Kommandant, für den das Britische Empire noch immer all seinen Zauber besaß, erfreute sich an dieser Tatsache. »Hier lungern keine Marijuana rauchenden Langhaarigen um Musicboxen rum«, dachte er glücklich, hielt an und betrat einen Laden, in dem es nach Säcken und Bohnerwachs roch. Er fragte einen langen, hageren Mann nach dem Weg zum Hotel.
»Bar oder Bett?« fragte der Mann mit einer Wortkargheit, die dem Kommandanten durch und durch echt vorkam.
»Bett«, sagte der Kommandant.
»Dann ist es Willow Waten«, sagte der Mann zu ihm. »‘ne halbe Meile weiter. Da ist ‘n Schild.«
Der Kommandant verließ den Laden und fuhr weiter. »Willow Water – Gasthof« stand auf einem Schild, und der Kommandant bog in eine enge, von blauen Gummibäumen gesäumte Auffahrt ein, die zu einem niedrigen, stuckverzierten Gebäude führte, das weniger wie ein Hotel, sondern eher wie eine verlassene Pumpstation eines stillgelegten Wasserwerks aussah. Der Kommandant hielt zögernd auf
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