Mohrenwäsche
wieder raus, drehte alle sechs Hähne fest zu und ging wieder ins Bett. Diesmal war er kurz vorm Einschlafen, als ein dumpfes Rumpeln in den Rohren sich so anhörte, als platzten sie gleich. In der höheren Klempnerei gab es nichts, wozu er imstande gewesen wäre, also lag er da und lauschte dem Rumpeln, während er durch die milchigen Scheiben beobachtete, wie der Mond verschwommen aufging. Früh am Morgen schlief er endlich ein, wurde aber um halb acht schon wieder von einem farbigen Mädchen geweckt, das ihm eine Tasse Tee brachte. Der Kommandant setzte sich auf und trank etwas Tee. Er hatte schon ein bißchen geschluckt, als er bemerkte, wie gräßlich er schmeckte. Einen Moment lang ging ihm der Gedanke durch den Kopf, er sei Opfer eines Giftanschlags geworden, ehe ihm klar wurde, daß der Geschmack auf den allgegenwärtigen Schwefel zurückzuführen war. Er kletterte aus dem Bett und begann, sich mit Wasser, das abscheulich schmeckte, die Zähne zu putzen. Gründlich angewidert wusch er sich, zog sich an und ging in die Brunnenhalle zum Frühstück.
»Obstsaft«, bestellte er, als ihn die Kellnerin fragte, was er wünsche. Er ließ gleich noch einen zweiten kommen, als sie ihm den ersten brachte, und den Grapefruitsaft im Mund herumspülend gelang es ihm, etwas von dem Schwefelgeschmack loszuwerden.
»Die Eier gekocht oder gebraten?« fragte die Kellnerin. Der Kommandant sagte gebraten, weil es nicht ganz so wahrscheinlich war, daß sie verhunzt würden. Als der Alte kam und fragte, ob alles in Ordnung sei, ergriff der Kommandant die Gelegenheit und fragte ihn, ob es möglich sei, etwas frisches Wasser zu bekommen.
»Frisch?« fragte der Alte. »Das Wasser hier ist so frisch wie Mutter Natur es nur machen kann. Haben heiße Quellen hier drunten. Kommen direkt aus den Eingeweiden der Erde.«
»Das glaube ich gerne«, sagte der Kommandant.
Wenig später kam Mr. Mulpurgo herein, der sich wie üblich an den Tisch neben dem Brunnen setzte.
»Guten Morgen«, sagte der Kommandant heiter und fühlte sich durch das ziemlich kühle »Morgen«, mit dem ihm gedankt wurde, etwas gekränkt. Der Kommandant versuchte es nochmal.
»Wie geht’s den Flatulenzen heute morgen?« fragte er mitfühlend.
Mr. Mulpurgo bestellte Cornflakes, Eier mit Schinken, Toast und Orangenmarmelade, ehe er antwortete.
»Flatulenzen?«
»Sie sagten gestern, sie seien wegen Flatulenzen hier«, sagte der Kommandant.
»Oh«, sagte Mr. Mulpurgo im Ton von jemandem, der nicht daran erinnert werden möchte, was er gestern gesagt hat. »Viel besser, danke.«
Der Kommandant wies das Angebot der Kellnerin, ihm Kaffee zu bringen, zurück und bestellte sich einen dritten Obstsaft.
»Ich habe über den Wurm nachgedacht, von dem Sie gestern sprachen, über den, der niemals stirbt«, sagte er, während Mr. Mulpurgo versuchte, die Schwarte von einem zähen Stück Schinken abzukriegen. »Stimmt es, daß Würmer nicht sterben?«
Mr. Mulpurgo sah ihn mißtrauisch an. »Mein persönlicher Eindruck ist, daß Würmer gegen die Auswirkungen der Sterblichkeit nicht immun sind«, sagte er schließlich, »und daß sie in ihrer eigenen Entsprechung von siebenzig Jahren diese fleischliche Pelle von sich schütteln.« Er konzentrierte sich auf seine Eier mit Schinken und überließ es dem Kommandanten, darüber nachzudenken, ob Würmer irgendwas abschütteln könnten. Er fragte sich, was wohl eine fleischliche Pelle sei. Es hörte sich ein bißchen nach Speckschwarte an.
»Aber Sie erwähnten einen, der das nicht tat«, sagte er, nachdem er über die Angelegenheit ein wenig nachgedacht hatte.
»Der was nicht tat?«
»Sterben.«
»Ich habe das metaphorisch gemeint«, sagte Mr. Mulpurgo. »Ich sprach von der Wiedergeburt.« Wie ein widerspenstiger alter Seebär, der durch die hartnäckige Neugier des Kommandanten zum Handeln angespornt wird, befand sich Mr. Mulpurgo mit einemmal in der Situation, daß er zu einer so ausführlichen Rede die Segel setzte, wie sie nicht zu seinen Plänen für diesen Morgen gehört hatte. Er hatte vorgehabt, in seinem Zimmer friedlich an seiner Dissertation zu arbeiten. Statt dessen mußte er eine Stunde später feststellen, daß er am Fluß entlangschlenderte und seine Ansicht erläuterte, das Studium der Literatur verleihe dem Leben des Lesers eine neue Dimension. Kommandant van Heerden, der neben ihm dahertrottete, erkannte gelegentlich eine ihm nicht gänzlich fremde Wendung wieder, war aber ansonsten ausschließlich in
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