Mohrenwäsche
Bewunderung für die intellektuelle Großartigkeit seines Begleiters erstarrt. Er hatte keine Ahnung, was »ästhetisches Bewußtsein« oder »gesteigerte Sensibilität« waren, nur »emotionale Anämie« ließ ihn irgendwie an Eisenmangel denken, aber das waren alles kleinere Probleme neben dem größeren, daß Mr. Mulpurgo ungeachtet aller seiner Abschweifungen ihm offenbar mitzuteilen schien, daß ein Mensch durch das Studium der Literatur wiedergeboren werden könne. Das zumindest bekam der Kommandant spitz, und da die Botschaft aus einer offensichtlich so wohlinformierten Quelle kam, schöpfte er neue Hoffnung, daß er eines Tages die von ihm so sehr ersehnte Wandlung erlangen werde.
»Sie halten also Herzverpflanzungen für gar nicht gut?« fragte er, als Mr. Mulpurgo innehielt, um Atem zu schöpfen. Der Verehrer Rupert Brookes sah ihn argwöhnisch an. Nicht zum ersten Mal hatte Mr. Mulpurgo das Gefühl, daß er zum Narren gehalten werde, aber Kommandant van Heerdens Gesicht strahlte eine groteske Unschuld aus, die absolut entwaffnend war.
Mr. Mulpurgo nahm also lieber an, der Kommandant wärme auf seine schrullige Art die Argumente zugunsten der Naturwissenschaft wieder auf, die C. P. Snow in seinem berühmten Streitgespräch mit F. R. Leavis vorgebracht hatte. Wenn nicht, dann hatte Mr. Mulpurgo keine Idee, wovon der Kommandant redete.
»Die Naturwissenschaften geben sich nur mit äußeren Dingen ab«, sagte er. »Was wir brauchen, ist die Veränderung der Natur des Menschen von innen.«
»Ich hatte immer angenommen, Herzverpflanzungen täten das ganz gut«, sagte der Kommandant.
»Herzverpflanzungen verändern die Natur des Menschen nicht im geringsten«, sagte Mr. Mulpurgo, der den Gedankengang des Kommandanten nicht weniger unverständlich fand als der Kommandant seinen. Was Organverpflanzungen mit gesteigerter Sensibilität zu tun hatten, konnte er sich einfach nicht denken. Er beschloß, das Thema zu wechseln, ehe es zu wirr wurde.
»Kennen Sie die Berge hier gut?« fragte er.
Der Kommandant sagte, er persönlich kenne sie gar nicht, aber sein Ururgroßvater habe sie im Großen Treck überquert.
»Ließ er sich in Zululand nieder?« fragte Mr. Mulpurgo.
»Er wurde dort ermordet«, sagte der Kommandant. Mr. Mulpurgo hörte das mit Bedauern.
»Von Dingaan«, fuhr der Kommandant fort. »Meine Ururgroßmutter war eine der wenigen Frauen, die das Blutbad am Blaauwkrans River überlebten Die Zulutruppen fielen ohne Warnung über sie her und hackten alles zu Tode.«
»Eine gräßliche Sache«, murmelte Mr. Mulpurgo. Seine eigene Familiengeschichte war nicht so bunt. An seine Ururgroßmutter konnte er sich nicht erinnern, aber er hatte das ziemlich sichere Gefühl, daß sie von niemandem massakriert worden war.
»Das ist der eine Grund, warum wir den Kaffern nicht trauen«, fuhr der Kommandant fort.
»Es, besteht keine Gefahr, daß das wieder passiert«, sagte Mr. Mulpurgo.
»Bei Kaffern weiß man das nie«, sagte der Kommandant. »Der Leopard kann nicht aus seinem Fell.«
Seine liberalen Ansichten zwangen Mr. Mulpurgo zu widersprechen.
»Aber ich bitte Sie, Sie wollen damit doch wohl nicht sagen, daß Sie die Afrikaner von heute für Wilde halten«, sagte er milde. »Ich kenne ein paar, die sind hochgebildet.«
»Schwarze sind Wilde«, beharrte der Kommandant hitzig, »und je gebildeter sie sind, desto gefährlicher werden sie.«
Mr. Mulpurgo seufzte.
»So ein wunderschönes Land«, sagte er. »Ich finde es so schade, daß Menschen verschiedener Rasse darin nicht friedlich zusammenleben können.«
Kommandant van Heerden warf ihm einen sonderbaren Blick zu.
»Es gehört zu meiner Aufgabe, dafür zu sorgen, daß Menschen verschiedener Rasse nicht zusammenleben«, sagte er im Ton einer Warnung. »Folgen Sie meinem Rat und schlagen Sie sich diese Idee aus dem Kopf. Ich sähe einen so netten jungen Burschen wie Sie nicht gerne ins Gefängnis wandern.«
Mr. Mulpurgo verstummte und bekam einen Schluckauf. »Ich wollte damit nicht sagen«, begann er, aber der Kommandant unterbrach ihn.
»Ich wollte damit nicht sagen, daß das passieren muß«, sagte er freundlich. »Wir alle haben hin und wieder solche Ideen, aber es ist besser, man vergißt sie. Wenn Sie ‘ne schwarze Möse brauchen, gehen Sie rauf nach Louren9o Marques. Bei den Portugiesen kriegen Sie sowas völlig legal, verstehen Sie? Sogar hübsche Mädchen, das kann ich Ihnen sagen.« Mr. Mulpurgo hörte mit seinem Schluckuck auf, aber er
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