Mohrenwäsche
745.396.
»Was kann ich laut sagen?« fragte der Portier.
»Nichts«, schrie 745.396 wütend. Er war mit seinem Latein am Ende. So auch der Strauß, wie es schien.
»Eine letzte Frage: Lassen Sie immer…«, sagte der Portier, aber weiter kam er nicht. Der Eindruck außergewöhnlicher Stille überfiel ihn, auf den eine Feuerwand und ein furchtbarer Knall folgten. Als die Fassade des Majestic Cinema auf die Straße stürzte und die Lichter erloschen, sank Agent Nr. 745.396 langsam auf den zerborstenen Toilettensitz und lehnte sich gegen die Wand. Da saß er noch immer, als ihn am nächsten Tag die Bergungsleute fanden: mit Mörtel bedeckt und mausetot.
Gerüchte, wonach Piemburg von ganzen Herden automatisch explodierender Strauße heimgesucht würde, verbreiteten sich die ganze Nacht über wie ein Lauffeuer. Dasselbe taten die Strauße. Ein besonders tragischer Vorfall ereignete sich im Büro der Gesellschaft zur Erhaltung der Wildtiere Zululands, wo ein Strauß, den ein Vogelfreund hereingebracht hatte, während der Untersuchung durch den Vereins-Tierarzt explodierte.
»Ich glaube, er hat sowas wie ‘ne Magenverstimmung«, erklärte der Mann. Der Tierarzt horchte mit seinem Stethoskop am Kropf des Vogels, dann stellte er seine Diagnose.
»Sodbrennen«, sagte er mit einer Endgültigkeit, die durch die nachfolgende Detonation durchaus bestätigt wurde. Als der Nachthimmel in Mauersteine, Mörtel und die vermischten Überreste von Vogelfreund und Veterinär zerbarst, mußte auch der Sitz der Gesellschaft zur Erhaltung der Wildtiere, historisch bedeutsam und selbst Gegenstand einer Erhaltungsvorschrift der Piemburger Ratsversammlung, für immer dran glauben. Nur eine Rauchwolke und ein paar große Federn, gleichsam das Sinnbild eines vertriebenen Prinzen von Wales, schwebten träge hinauf zum Mond.
In seinem Büro lauschte der amtierende Kommandant Verkramp mit wachsender Verzweiflung den dumpfen Explosionen. Was immer auch in Trümmern lag – und so wie es sich anhörte, mußte es sich um einen großen Teil des Geschäftszentrums der Stadt handeln –, seine eigene Karriere würde sich in Kürze dazu gesellen. Im wütenden Versuch, seine bangen Ahnungen zu beruhigen, hatte er eben die wenigen Botschaften seiner Geheimagenten durchforstet, nur um darin die Bestätigung zu finden, daß sein Plan, wenn nicht gar alle ihre Bemühungen gescheitert waren. Agent Nr. 378.550 hatte ihm mitgeteilt, daß die Sabotagegruppe aus elf Leuten bestünde.
Agent Nr. 885.974 hatte ihm dasselbe zu sagen. Und 628.461 auch. Eine schreckliche Übereinstimmung hatten diese Botschaften an sich. In jedem Fall berichtete sein Agent von elf Leuten. Verkramp zählte einen zu den elfen hinzu und erhielt zwölf. Er hatte zwölf Agenten im Einsatz. Der Schluß war unausweichlich, und das waren, wie es schien, auch die Folgen. Verzweifelt nach einem Ausweg aus der Patsche suchend, in die er sich selbst manövriert hatte, erhob sich Luitenant Verkramp von seinem Schreibtisch und ging hinüber ans Fenster. Er kam gerade rechtzeitig, um zu sehen, wie ein großer Strauß mit langen, zielstrebigen Schritten die Straße heruntergetrabt kam. Mit einem unterdrückten Fluch öffnete Verkramp das Fenster und blickte dem Vogel nach. »Schluß!« fauchte er und stellte mit Erstaunen fest, daß zumindest einem seiner Befehle gehorcht wurde. Mit einem gewaltigen Blitz und einer Druckwelle, die das Fenster über ihm aus dem Rahmen fetzte, löste sich der Strauß in seine Einzelteile auf, und Verkramp fand sich auf dem Fußboden seines Büros wieder, zwingend davon überzeugt, daß sein Verstand Schaden gelitten habe.
»Unmöglich. Es kann kein Strauß gewesen sein«, flüsterte er, während er ans Fenster zurückhumpelte. Die Straße war mit Glasscherben übersät, und auf einer leeren, geschwärzten Stelle mitten auf der Straße waren zwei Füße alles, was von dem explodierten Ding übriggeblieben war. Verkramp sah, daß es ein Strauß gewesen war, denn die Füße hatten nur zwei Zehen.
Die nächsten zwanzig Minuten handelte Luitenant Verkramp mit rasender Geschwindigkeit. Er verbrannte alle Akten, die ihn mit seinen Agenten in Verbindung bringen konnten, und vernichtete ihre Botschaften, und nachdem er dem Polizei-Waffenmeister die Anweisung gegeben hatte, das Schloß an der Tür zur Waffenkammer auszuwechseln, verließ er die Polizeidienststelle im schwarzen Ford des Kommandanten. Eine Stunde später hatte er jeder Bar in der Stadt einen Besuch
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