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Moloch

Titel: Moloch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville , Michael Moorcock , Paul di Filippo , Geoff Ryman
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Trinkgelder zahlt man angeblich freiwillig. Das macht noch mal rund hundertfünfzig pro Woche. Und ich achte darauf, stets zu zahlen, weil ich möchte, dass die Typen springen, falls ich krank werde oder irgendwas passiert.
    »Kein Trinkgeld?«, frage ich ruhig, um sicherzugehen, dass ich das richtig verstehe. »Ich zahle Ihnen Trinkgeld, Mann.«
    Ich muss in Erfahrung bringen, wie dieser Typ heißt. Man kann sich nicht vernünftig mit jemandem unterhalten, dessen Namen man nicht kennt. Meine Brillengläser spulen die Fotos des gesamten Personals durch, und schließlich entdecke ich ihn. Nur eine bestimmte Stelle in meinem Gehirn anstoßen, und ich brauche den Typen nicht nach seinem Namen zu fragen. Die Brille verrät ihn mir.
    Der Junge heißt Joao; er stammt aus einem Teil Indonesiens, in dem man Portugiesisch spricht.
    »Joao? Entschuldigung. Es tut mir Leid. Ich bezahle. Wirklich.«
    Er steht da, sein Brustkorb hebt und senkt sich, als würde er Gewichte stemmen.
    »Joao? Ich zahle Trinkgelder. Kommen die nicht bei Ihnen an?«
    Der Junge ist so wütend, dass ihm die Sicherungen durchgebrannt sind. Er starrt mich finster an und blinzelt.
    »Kommen Sie, ich zeig’s Ihnen«, sage ich.
    Ich versuche, ihn zu meinem Rechner zu schieben, berühre ihn nur leicht am Arm, und er stößt mich einfach weg. Einen Moment lang befürchte ich, er würde mir eine reinhauen. Also spreche ich sanft und leise. »Hey, Mann, ganz ruhig, okay? Ich zeig’s Ihnen.«
    Ich rufe meine Dateien auf. Da, sieh selbst! Die ganzen Abbuchungen. All die Trinkgelder, die ständig für jede Kleinigkeit rausgehen. Ich zeige auf die Beträge auf dem Bildschirm. Überweisungen direkt von meinem Konto.
    Der Junge blinzelt und massiert sich das Gesicht mit beiden Händen. Ich frage mich, ob die Leute in seiner Heimat überhaupt lesen lernen.
    »Ich krieg nichts!«, brüllte er plötzlich. Er wirft die Hände in die Luft und schüttelt wild den Kopf. Aber ich kann sehen, dass seine Wut jetzt nicht mehr mir gilt.
    Mittlerweile ist mir selbst ganz übel, als wäre das Hühnchen, das es gestern zum Essen gegeben hat, mit Salmonellen verseucht gewesen. Verdammte Scheiße, denke ich. Wir haben es hier mit einem Fall von Trinkgeldklau zu tun.
    Irgendwo schöpft irgendwer – vermutlich einer dieser hippen Ärzte, der mit der Ratenzahlung für seinen neuen Swimmingpool oder seine Rechtsschutzversicherung im Rückstand ist – die Trinkgelder des Zimmerpersonals ab.
    Ich könnte mich beschweren und die Polizei rufen. Könnte ich. Aber ich verzichte darauf. Ich habe meine Gründe. Sie verstehen?
    »Wie lange bekommen Sie schon kein Trinkgeld?«, erkundige ich mich.
    Er sagt es mir. Es sind Monate. Jetzt wird mir klar, warum er nicht gerade scharf darauf ist, hinter mir herzuputzen. Ich fordere ihn auf, sich zu setzen, und schenke ihm einen Whisky ein. Das wird eine Weile dauern, und ich möchte, dass er ganz genau begreift, wer ihm sein Geld wiederbesorgt hat.
    Nämlich ich. Hier und heute. Der Brewster.
    Ich rufe meine Kontaktperson an. Ein zähes altes Luder namens Nikki, die es echt drauf hat und noch draußen auf freiem Fuß ist. Sie hat ein großartiges Kodierungsprogramm installiert. Wir führen ein fiktives Gespräch über ihren neuen Bungalow, das eine Tarnung für einen verdeckten Download ist. Das Ganze erscheint als eine Telefonverbindung und spielt dann eine Nummer aus einem nostalgischen TV-Sender ab. Ich lehne mich zurück und sehe mir etwas an, das ein altes Britney-Spears-Video zu sein scheint.
    In Wirklichkeit ist es kein Video, das können Sie mir glauben. Ich kann hier nichts tun, das auch nur annähernd so aussieht, als wollte ich mich irgendwo einhacken. Wir werden ständig beobachtet. Angeblich für den Fall, dass wir plötzlich krank werden, aber – hey! – wozu muss deshalb alles ausgeschnüffelt werden, was wir in unsere Tastaturen tippen? Wer hier hacken will, darf dazu nicht die Hände benutzen. Nichts darf so erscheinen, wie es ist.
    Ich lächle dem Jungen zu und deute mit einem knappen Nicken auf die Kameraaugen, die Brillen, den Fernseher, den Computer… auf all die Überwachungssysteme. Und der Junge ist echt cool. Er kann nicht vernünftig Englisch sprechen, aber er kapiert, was ich hier mache. Zum ersten Mal erhalte ich ein Lächeln von ihm. Er kichert und hebt das Whiskyglas. »Z24!«, sagt er. Ah, das ist die Sprache der Kids.
    »Geile Nummer!«, erwidere ich. Das ist meine Sprache. »Du stehst auf Britney, was?«
    Der Junge

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