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Moloch

Titel: Moloch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville , Michael Moorcock , Paul di Filippo , Geoff Ryman
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Grauen, sondern mit etwas wie Hoffnung. Er starrte in schwarzes Nichts, in die Richtung des Geräuschs der scharrenden Schritte.
    Wie aus trübem Wasser aufsteigend, erschien sekundenlang ein Gesicht, nur Zentimeter von ihm entfernt. Schmutzig weiß in der Finsternis, von Narben durchzogen. Sholl blieb keine Zeit, das Mienenspiel zu studieren: Ein unvermuteter, brutaler Faustschlag holte ihn von den Beinen.
    Benommen lag er auf dem dreckigen, kalten Betonboden. Er wusste, er musste aufstehen, doch er konnte nichts anderes denken, als dass eine dieser Kreaturen ihn berührt hatte. Alles andere als freundschaftlich, aber sie hatte ihn berührt, hatte das Tabu gebrochen. Dieses Exemplar war genau das, was er suchte, was er brauchte. Er war aufgeregt, gleichzeitig meldete die Angst sich wieder, denn ganz leicht konnte dieses Unterfangen ihn das Leben kosten.
    Sein Angreifer umkreiste ihn. Sholl konnte ihn hören. Er rollte herum, stemmte sich hoch, die Anstrengung presste ihm einen Laut ab, der wie ein Miauen klang. Wieder traf ihn eine Faust, schleuderte ihn gegen die Tunnelwand.
    Adrenalin brauste durch den neuen Schmerz, und er stand aufrecht, die Arme ausgestreckt, bereit, den Gegner zu empfangen. Raunen hallte durch die Röhre, konsterniertes Wispern, geflüsterter Protest. Sholl hörte Schieben und Drängen, Leiber rempelten gegeneinander. Erregung lief durch die Reihen der Vampire. Weiter hinten im Tunnel, in vollkommen lichtloser Finsternis, erhob sich eine Stimme (die Reflexion einer menschlichen Larynx wurde gezwungen, den einzigen Laut zu produzieren, widerwillig, der ihr möglich war).
    Mit einem abgehackten, scharfen Blaffen – nicht für Sholl bestimmt, sondern für seine Genossen –, trat der Angreifer aus der Menge hervor. Für Sholl war er eine Ahnung, ein Schatten in Schatten. Sholl hielt das Gewehr am Lauf, und als das kalte Gesicht dicht vor ihm auftauchte, holte er aus und schmetterte es zur Seite.
    Er fühlte sich wie berauscht. Eine Berührung hatte stattgefunden, ein Kontakt. Erneut führte er einen Hieb mit dem umgedrehten Gewehr, nach unten, wo sein Angreifer auf dem Boden liegen musste. Die Konsequenz, mit der er die Waffe handhabte, überraschte ihn. Er empfand keinen Hass, nur den Drang, eine Aufgabe zu erfüllen.
    Der Vampir, der ihn angegriffen hatte, schrie gellend, als Sholls improvisierte Keule sein Bein traf. Man hörte laut den krachenden Aufprall auf den Knochen. Die Kreatur umklammerte Sholls Unterschenkel und zerrte daran, aber Sholl war vorbereitet und ließ sich auf den am Boden Liegenden fallen.
    Ineinander verkrallt, rollten sie durch Staub und Dreck. Sholl umfasste mit beiden Händen den Kopf des Imagos, hütete sich, mit den Daumen in dessen aufgerissenen Mund zu geraten, und schlug ihn einmal, zweimal auf den Betonboden. Sein Widersacher rammte ihm die Faust ins Gesicht, doch entweder verfügte er nicht über die volle Kraft der Imagos oder diese Kraft hatte ihn verlassen, denn Sholl spürte die Schläge zwar, aber sie vermochten ihn nicht außer Gefecht zu setzen.
    Dann bekam Sholl plötzlich keine Luft mehr. Der unter ihm eingeklemmte Vampir drückte ihm die Kehle zu. Sholl hörte, wie sein Atem stockte. In Panik drosch er auf den Gegner ein, aber dessen Würgegriff lockerte sich nicht. Er hörte ein leises Zwitschern, wie von Vögeln, und war überzeugt, es stammte aus seinem Kopf.
    Verzweifelt tastete er auf dem Boden nach der Schrotflinte. Als seine Fingerspitzen endlich Metall berührten, tanzten bereits gleißende Sterne vor seinen Augen. Er schmetterte den Kolben gegen den Kopf des Vampirs, und die stählernen Krallen gaben seinen Hals frei. Das Gewehr rutschte ab, prallte auf den Boden und ein Schuss löste sich.
    In der aufzuckende Grelle sah Sholl die Gesichter der Horde. Sie neigten sich über ihn und seinen halb betäubten Kontrahenten. Soweit er Emotionen in diesen Gesichtern lesen konnte, Gesichtern, die menschliche Züge als Maske trugen, ohne Regung oder Gefühl, sahen sie bestürzt aus. Verstört und aufgewühlt. Ihre Münder standen offen. Er begriff, dass das Vogelgezwitscher nicht seiner Einbildung entsprang, sondern dass sie es hervorbrachten. Mit hohen Fistelstimmen trillernd und lispelnd umstanden sie die beiden Kämpfenden auf dem Boden. Ein oder zwei streckten die Hand nach ihm aus, aber sie blieben zaghaft, mit gekrümmten Fingern in der Schwebe, so dass er wusste, sie konnten sich nicht überwinden, ihn zu berühren, es war ihnen unmöglich. Und

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