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Moloch

Titel: Moloch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville , Michael Moorcock , Paul di Filippo , Geoff Ryman
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könnten, so dass sie Tore sind, Spiegelhaut ohne Bedeckung. Mir ist nicht bekannt, wo solche zu finden sind.
    Doch als ich den Kamm dieser kleinen Bodenwelle erreiche, weiß ich, weshalb ich hergekommen bin. Ich bin hierher gekommen, ich habe diesen Ort gefunden, damit ich heimkehren kann.
    Der Mond steht über dem kleinen Teich in der Senke, und der Teich ist vollkommen, unnatürlich glatt. Fast habe ich Angst zu atmen (doch gefangen in diesem Körper, muss ich es tun). Die Bäume, die mich geleitet haben, umstehen das Wasser, zeigen es mir, und ich weiß, dass in den Tagen vor dem Krieg ich darin den Zwilling eines jeden dieser Bäume erblickt haben würde.
    Wie um das Bild zu suchen, schaue ich ins Wasser, und es ist so still, beschienen von Mondlicht so klar, dass es mir vorkommt wie ein kleiner Gott.
    Ich will nach Hause. Die Fesseln sind gelöst, nichts hält die andere Seite mehr am Gängelband. Sie ist nun unentdeckt, ein vollkommen fremder Kontinent. Welche Formen sie annehmen könnte! Nach Jahrhunderten der Abziehbild-Topographie ist unsere Welt frei. Sie könnte jede nur denkbare Gestalt haben – der Gedanke daran erfüllt mich mit sehnsüchtiger Neugier. Alles Mögliche könnte ich dort finden. Ich schaue genau hin, bemühe mich, die Schwärze des Torwegs mit Blicken zu durchdringen, das Wasser, und ich schwöre, ich kann hindurchsehen, hinter dem verhüllenden Schleier die andere Seite erkennen und ich schwöre, ich sehe Bäume.
    Wenn ich behutsam bin und schnell, wenn kein Wind aufkommt, der diese perfekte Fläche kräuselt, dann kann ich heimgehen, nach Hause. Mein Eintauchen wird sie zerstören, aber ich werde fort sein. Ich brauche Zeit, Freiraum, etwas, um herauszufinden, weshalb ich der Gemeinschaft mit Meinesgleichen müde bin. Ich werde hingehen, wo alles im Fluss ist, wo alles anders sein kann.
    Barfuß laufe ich den kleinen Grashang hinunter, diese strauchige Schräge, hebe die Füße hoch, damit nicht Erde oder Grasbüschel ins Wasser geschleudert werden und es aufstören, will es aufstören nur mit mir. Ich laufe und ich springe. Ich hänge in der Luft. Ich hänge in der Luft und jetzt falle ich, und wie das Wasser, wie der Spiegel mir entgegenkommt, kann ich hindurchsehen, schemenhaft erkenne ich einen sich weitenden Krater aus Erde und Gras, Bäume, einen Mond und Wolken, alles, was mich hier umgibt, alles, außer mir selbst. Ich falle, falle in den Spiegel hinein, doch niemand fällt mir entgegen.

 

     
    Der Auftrag der Soldaten lautete, im Morgengrauen anzugreifen. Auch jetzt noch war ihnen nicht wirklich klar, was genau Sholl vorhatte. Sie wussten nur, er hatte einen Plan und sie sollten ihm helfen, in das Gebäude hineinzukommen. Sholl hatte sich vorgenommen, nicht weiter darüber nachzudenken, was diese Männer und Frauen taten: ihr Vertrauen, ihre Bereitschaft, sich zu opfern, für ihn, ohne je den Hintergrund zu kennen.
    In den Stunden vor dem Angriff unterhielt er sich halblaut mit dem Offizier. Erklärte ihm, es sei nicht unbedingt erforderlich, dass er mitkäme, oder seine Leute. Sholl war bereit, seinen Plan allein zu Ende zu bringen, während die Soldaten auf seine Rückkehr warteten. Er meinte es ernst: Ihm wäre wohler gewesen, wenn die Soldaten sich geweigert hätten, ihn weiter zu begleiten. Doch wie erwartet, ging der Offizier nicht darauf ein. Sholl zuckte die Schultern, aber glücklich war er nicht.
    Die Soldaten spulten ihre routinemäßigen Vorbereitungen ab wie neurotische Ticks – überprüften ihre Ausrüstung und überprüften sie nochmals, bestückten Patronengurte, spähten an Läufen entlang –, und Sholl stand in der Dunkelheit des Ladens, in dem sie biwakierten, und schaute hinüber zum Ziel ihrer Operation. Er kannte weder die Ethik noch die Regeln dieses Terrains, vermutlich waren sie nicht fassbar. Dessen ungeachtet sah er eine Art von Logik in der Wahl der Residenz, für die der Fisch aus dem Spiegel sich entschieden hatte, und die Tatsache, dass er sie verstand, war in seinen Augen kein Indiz dafür, dass sie verkehrt war.
    Man konnte ein neurotisches, ein masochistisches Vergnügen dahinter vermuten. Von den Requisiten deiner Kerkerhaft umgeben zu sein, durch Gänge zu streifen, die wie Zeitmaschinen sind und dir die verschiedenen Gestalten und Farben deiner Schergen von vor tausend Jahren bis gestern präsentieren und das Vergnügen, welches daraus erwächst, dass du an ihnen vorbeigehst und dich erinnerst, aber du bist frei. Wohnstatt nehmen in

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