Mond der Unsterblichkeit
n kreis so schnell wie möglich erreichen, musste das Schlimmste verhindern. Doch ihre Beine wurden mit j e dem Schritt schwerer, und die ei s kalte Luft brannte in ihren Lungen. Sie hastete über das Feld, vorbei an dem einzelnen Menhir. Schauriges Wolfsgeheul hallte von allen Seiten über die Ebene. Amber biss die Zähne z u sammen und eilte weiter. Atemlos verbarg sie sich im Schatten der Bäume und sah zum Szen a rio am Steinkreis hinüber.
Menschen knieten auf der Erde, umgeben von einem Fackelkreis. Sie erkannte Sally, einige Studenten, ihren Vater, und auch Aidan, die mit gesenkten Köpfen in Ehrfurcht versunken schienen. Eiskalt kroch die Furcht in ihre Glieder. Ein Mann in einer weißen Kutte trat aus dem Dunkel und hob einen Stab. Er rief den Knieenden in einer unbekannten Sprache etwas zu. Er pfiff einen Wolf he r an, noch größer als der, der sie verfolgt hatte. Dieser sprang auf einen der au f rechten Menhire, knu r rend, und mit gefletschten Zähnen.
Seine riesigen Fangzähne versprachen einen schmerzvollen Tod. Noch nie ha t te sie einen so großen Wolf gesehen. Auf Geheiß des Mannes in der Kutte warf das Tier den Kopf in den Nacken und jaulte den Mond an. Als es verstummte, begann der Wolf sich in eine Frau zu verwandeln, deren nackte Haut im Licht der Fackeln wie polierter Alabaster schi m merte. Rabenschwarze Augen blickten in Ambers Richtung. Als schaue sie in die Augen des Teufels. Die Wolf s frau streckte die Klauen nach einem gläsernen Pokal aus, der eine rote Flüssigkeit enthielt. Blut. Sie leckte sich über die Lippen und trank in gierigen Zügen. A m ber zitterte vor A n spannung und Ekel. Sie presste die Hand auf den Mund, um nicht zu schreien. Dann hob die Wolfsfrau den Pokal in die Höhe. Plötzlich tauchten Hände aus dem Nichts auf, die keinem Körper zu gehören schienen. Sie rissen den Pokal der Wolfsfrau aus den Händen. Der Mann in der weißen Kutte schob ihren Vater den Händen entgegen. Dieser wehrte sich, flehte um Gnade. Zu spät. Die Hände ergriffen ihn blitzschnell und zogen ihn in die Du n kelheit.
„Nein!“, Ambers Schrei gellte durch die Nacht. „Nein!“
Amber fuhr auf. Schweiß perlte von ihrer Stirn, während sie nach Atem rang. Sie brauchte einen Moment, um sich zu sammeln. Zuerst wusste sie nicht, wo sie sich befand, bis sie sich umsah. Sie war noch immer im Jagdhaus neben dem schlafenden Aidan. Die Erinnerungen kehrten zurück. Halloween, ihr Erlebnis im Moor und die Nacht mit Aidan.
Das Feuer im Kamin war erloschen, nur die Glut schimmerte rötlich und durchbrach das Dunkel des Raumes. Allmählich beruhigte sich ihr Puls, dessen Pochen sie an ihrer Kehle fühlen konnte. Angst erfasste A m ber. Dieser Traum besaß eine B e deutung, davon war sie überzeugt, eine dunkle Vorahnung. Die Wolfsfrau war ein Bote des Todes.
Sie begann zu frösteln, was sie daran erinnerte, dass sie nackt auf dem Boden saß, und die Decke herunter geschoben hatte. Es dämmerte bereits. Sie sah zum Fenster hinaus. Ein schmaler Streifen Helligkeit e r schien am Horizont.
Aidan räkelte sich neben ihr mit einem Seufzer. „Was ist?“, murmelte er ve r schlafen, und gähnte. Das Haar hing ihm wirr in die Stirn, das L a ken bedeckte eben so seine Männlichkeit.
„Ich muss nach Hause“, antwortete sie, und suchte ihre Kleidung z u sammen, die sich noch immer klamm anfühlte.
„Jetzt? Mein Gott, Amber, es ist noch früh. Komm, leg dich wieder zu mir. Ich begleite dich nachher.“
Er legte ihr den Arm um die Taille, zog sie an sich und küsste sie ausgiebig. Es war ein lustvolles Versprechen auf mehr. Wie gern hätte sie dem nachgegeben, wenn da nicht diese Unruhe gewesen wäre. Sie musste zurück zum Schloss, sich vergewi s sern, dass es allen gut ging.
„Sei mir nicht böse, aber ich möchte zurück.“
„Okay, okay, ich zieh mich an und hol dir ein paar warme Sachen.“
„Danke.“
Die Luft war von Feuchtigkeit gesättigt und kühl. Der Duft von Tanne n nadeln und feuchtem Moos hing in der Luft. Es herrschte Stille, als b e fände sich die Welt noch im Tiefschlaf. Unheimlich hallten ihre dum p fen Schritte durch den Wald. Aidan führte Amber eine Abkürzung entlang, dicht vorbei am Moor. Über dem morast i gen Boden schwebte Nebel in Streifen und hüllte die Pflanzen am Ufer in einen weißen Schleier. Amber fand den Anblick gespenstisch, obwohl der morgen d liche Nebel typisch für diese Gegend war.
Furcht beschleunigte Ambers Schritte. Immer wieder trieb sie Aidan
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