Mond der Unsterblichkeit
zur Eile an.
„Was ist mit dir los, Amber?“ Aidan hielt sie am Arm z u rück.
„Ich weiß es nicht. Ich kann es nicht erklären, aber irgendetwas Furchtbares ist g e schehen, das spüre ich.“
Aidan nickte, als seien ihm selbst düstere Ahnungen nichts Fremdes.
Es war bereits hell, als sie Gealach Castle erreichten. Vor dem Ei n gang stand ein Polizeiwagen. Amber griff sich an ihre Kehle. Hatte sie es doch geahnt! Dann spurtete sie zum Eingang, und Aidan folgte ihr.
Im selben Augenblick traten zwei Officer mit ernsten Mienen aus der Tür. Amber schenkte ihnen keine Beachtung, sondern stürmte an ihnen vorbei hinauf in die Wohnung.
„Mom?“
Atemlos erreichte Amber schließlich die Tür zum Wohnzimmer. Ihre Mutter saß zusammengesunken wie ein Häufchen Elend am Tisch. K e vin kam aus der Küche mit einem Glas Wasser in der Hand, das er vor Mom abstellte. Sein Blick verhieß nichts G u tes.
„Mom, was ist hier los?“
Ihre Lippen formten zwar Worte, aber sie brachte keinen Ton he r aus. Dann liefen Tränen über ihr Gesicht.
„Dad ist tot“, antwortete Kevin mit tonloser Stimme.
Amber schlug die Hände vor den Mund und schrie auf. „Nein, nein“, sta m melte sie immer wieder und schüttelte den Kopf, „das ist nicht wahr.“
„Doch“, flüsterte Mom.
„Aber nicht Dad! Was ist geschehen?“ Amber glaubte, ihr habe jemand den Boden unter den Füßen weggezogen. Ihr war speiübel, und sie zitterte am ga n zen Körper. Sie hatte es g e spürt. Der Traum war eine Botschaft gewesen. Nicht Dad! Sie hatte noch gestern mit ihm g e sprochen! Sie spürte Aidans Arme um sich.
Kevins Hände zitterten ebenfalls, als er sich durchs Haar strich. „Er hatte e i nen Unfall in der Brennerei. Eins der Destillationsgeräte ist explodiert und hat unzählige Whiskyflaschen zerschlagen. Dads Halsschlagader wurde durch he r umwirbelnde Glassplitter durchtrennt. Er ist ve r blutet.“
Fassungslos starrte Amber ihren Bruder an. Nie mehr würde sie ein Wort mit ihrem Vater wechseln können, sein ansteckendes Lachen hören, oder seine ern s te Miene sehen, wenn er pflichtbewusst zur Arbeit fuhr. Es war vorbei. Für i m mer. Endgültig. Da war diese unglaubliche Hoffnungslosigkeit in ihr, die über ihr zusammenbrach und sie zu e r sticken drohte. Sie hatte sich in ihrem Leben noch nie so ohnmächtig g e fühlt.
Aidans Umarmung wurde fester. Amber barg ihr Gesicht an seiner Brust. Sie konnte nicht weinen, obwohl ihre Augen brannten und etwas Schmerzhaftes in ihrer Kehle steckte. Seine Nähe tat ihr gut. Eine Weile herrschte Schweigen. Mom stierte schniefend vor sich hin und zerknüllte ein Taschentuch in ihren Händen. Kevin saß mit aschfahlem Gesicht neben ihr.
„Mom, kann ich Dad noch einmal sehen?“, fragte Amber le i se.
Mom schluchzte.
„Wenn der Leichenbestatter ihn aufgebahrt hat“, antwortete Kevin. Wie tapfer er sich verhielt. Dad wäre stolz auf ihn.
Vater in einem Sarg mit gefalteten Händen und eingefallenen Wangen? Ein Mann in der Blüte seiner Jahre, der noch viele Träume verwirklichen wollte? Nein, das konnte alles nicht wahr sein.
„Wie konnte das nur passieren? Dad überprüft doch jeden Abend persönlich die Brennerei! Ich verstehe das nicht! Und was machte er überhaupt in der Ha l loweennacht dort, anstatt zum Fest zu kommen? Irge n detwas stimmt hier nicht!“
„Beruhige dich, Amber. Sicherlich wird es dafür einen wichtigen Grund geg e ben haben. Ich werde mir alles ansehen“, versuchte Aidan sie zu beschwichtigen und tröstend in seine Arme zu ziehen. Doch Amber stieß ihn von sich.
„Ach, ja und was für einen? Was würdest du sagen, wenn das deinem Vater zugestoßen wäre? Vielleicht steckt der ja auch dahinter und hat meinen Dad in die Brennerei geschickt?“ Sie glaubte, in einem Albtraum zu stecken.
„Der Tod deines Vaters ist schrecklich. Ich kann deinen Schmerz mi t fühlen. Aber weshalb hätte mein Vater ihn in die Brennerei sch i cken sollen? Das ergäbe keinen Sinn. Außerdem hat dein Vater jeden Abend einen Rundgang durch die Brennerei gemacht, und zwar ohne, dass mein Vater es von ihm verlangt hat.“
Amber musste ihm recht geben. Dennoch konnte und wollte sie nicht an einen Unfall glauben. Irgendetwas Furchtbares war ihm zugest o ßen.
„Ich habe mit Dad noch gesprochen, bevor er in die Brennerei ging“, mischte Kevin sich ein, „er wirkte aufgeregt. Ich wollte ihn begleiten, doch er schickte mich fort. Verdammt, hätte ich doch nur nicht auf ihn
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