Mond über Manhattan
kompliziert, sagte er, und da ich ohnehin alles haben sollte, warum es mir dann nicht einfach aushändigen? Ich versuchte ihm das auszureden, denn ich wußte, daß diese Transaktion das endgültige Eingeständnis der Niederlage war, aber ich wollte auch nicht zu heftig werden. Barber war zu diesem Zeitpunkt bereits so gut wie tot, und es wäre nicht fair gewesen, sich ihm zu widersetzen.
Ich bezahlte die Krankenhausrechnungen, ich bezahlte die Bestattungsgebühr, ich bezahlte im voraus einen Grabstein. Für die Totenmesse wollte ich den Rabbi gewinnen, der elf Jahre zuvor meine Bar-Mizwa geleitet hatte. Er war jetzt ein alter Mann, weit über siebzig, nehme ich an, und als ich ihn anrief, konnte er sich nicht an meinen Namen erinnern. Ich lebe im Ruhestand, sagte er, warum fragen Sie nicht jemand anderen? Nein, sagte ich, ich möchte Sie haben, Rabbi Green, ich will keinen anderen. Ich mußte ihm ziemlich zureden, aber schließlich brachte ich ihn dazu, die Sache für das Doppelte seines üblichen Honorars durchzuführen. Das ist höchst ungewöhnlich, sagte er. Es gibt keine gewöhnlichen Fälle, erwiderte ich. Jeder Tod ist ein Einzelfall.
Rabbi Green und ich waren bei der Beerdigung die einzigen. Ich hatte überlegt, ob ich das Magnus College von Barbers Tod unterrichten sollte, da einige seiner Kollegen vielleicht an der Beerdigung teilnehmen wollten, hatte mich dann aber dagegen entschieden. Ich war nicht in der Stimmung, den Tag mit Fremden zu verbringen, ich wollte mit keinem Menschen reden. Der Rabbi ging auf meine Bitte ein, keine Lobrede in englischer Sprache zu halten, und beschränkte sich darauf, die traditionellen hebräischen Gebete herzusagen. Mit meinem Hebräisch war es damals nicht mehr weit her, und ich war froh, daß ich nicht verstehen konnte, was er da sagte. So konnte ich mit meinen Gedanken allein sein, und mehr wollte ich auch gar nicht. Rabbi Green betrachtete mich als Verrückten und hielt sich in den Stunden, die wir gemeinsam miteinander verbrachten, so fern von mir wie möglich. Er tat mir leid, aber nicht so sehr, daß ich etwas dagegen unternommen hätte. Alles in allem dürfte ich höchstens fünf oder sechs Worte an ihn gerichtet haben. Als die Limousine ihn nach dieser Quälerei vor seinem Haus absetzte, schüttelte er mir die Hand und klopfte mir mit seiner linken Handfläche sachte auf die Knöchel. Eine Geste des Trostes, die ihm so leicht von der Hand gehen mußte wie seine Unterschrift; er schien kaum zu bemerken, was er da tat. «Sie sind ein sehr unruhiger junger Mann», sagte er. «Wenn Sie meinen Rat hören wollen, sollten Sie mal einen Arzt aufsuchen.»
Ich ließ mich von dem Chauffeur beim Eden Rock Motel absetzen. Da ich keine Nacht mehr in diesem Haus verbringen wollte, begann ich sofort meine Sachen zu packen, wofür ich nicht mehr als zehn Minuten brauchte. Ich zog meine Tasche zu, setzte mich noch einmal kurz aufs Bett und warf einen letzten Blick durchs Fenster. Wenn es in der Hölle Fremdenzimmer gibt, sagte ich zu mir, dann sehen sie so aus. Scheinbar ohne Grund - das heißt, ohne einen Grund, der mir damals bewußt gewesen wäre - ballte ich meine Hand zur Faust, stand auf und schlug so fest ich konnte an die Wand. Die dünne Hartfaserverkleidung gab ohne Widerstand nach und zerbrach, als mein Arm hindurchfuhr, mit einem dumpfen Knacken. Ich fragte mich, ob die Möbel genauso unstabil seien, und hob einen Stuhl auf, um es herauszufinden. Ich ließ ihn auf die Kommode krachen und sah zufrieden zu, wie das Ding in tausend Stücke zerbrach. Um das Experiment zu beenden, nahm ich eins der abgebrochenen Stuhlbeine in die rechte Hand und machte mich daran, einen Gegenstand nach dem anderen mit meiner behelfsmäßigen Keule zu bearbeiten: die Lampen, die Spiegel, den Fernseher, was immer mir in den Weg kam. Ich brauchte nur ein paar Minuten, um das ganze Zimmer von oben bis unten kleinzuschlagen, aber danach fühlte ich mich unendlich besser, als ob ich endlich einmal etwas Vernünftiges getan hätte, etwas, das dem Anlaß angemessen war. Ich blieb nicht lange stehen, um mein Werk zu bewundern. Noch keuchend von der Anstrengung, raffte ich meine Taschen zusammen, rannte nach draußen und fuhr mit dem roten Pontiac davon.
Die nächsten zwölf Stunden fuhr ich ohne anzuhalten. Als ich die Grenze nach Iowa überquerte, senkte sich die Nacht herab, und nach und nach blieb von der Welt nur noch die Unendlichkeit der Sterne übrig. Meine Einsamkeit hypnotisierte mich;
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