Mondberge - Ein Afrika-Thriller
schnell, um mich richtig festhalten zu können ... auf dem Vorsprung bin ich zum Stehen gekommen. Kurz darauf kam Peter runter ...«
Die Sonne hatte sich durch die Wolken gekämpft, und aus den Tälern stieg majestätisch sonnenbestrahlter Dunst auf, der wie der Rauch eines gewaltigen Feuers wirkte. Sie sprachen wenig, vor allem Andrea war sonderbar still. Trotz der extremen Strapazen konnten sie sich eine lange Pause auf dem Plateau allerdings nicht erlauben. Schon bald brachen sie wieder auf und stiegen den Berg weiter hinauf. Nur sehr selten konnte sich Tom auf die Schönheit der Natur konzentrieren, denn die in Intervallen wiederkehrenden Kopfschmerzen und der Schwindel erinnerten ihn unsanft daran, dass dies schon längst kein harmloser Ausflug mehr war.
»Tom.« Andrea ging kurz hinter ihm und sprach leise.
»Ja, was ist?«
»Ich muss dir etwas sagen ...«
Er blieb stehen. Die Blässe in ihrem Gesicht war geradezu hervorstechend.
»Was ist los? Geht’s dir nicht gut?«
»Nein, also doch, geh bitte weiter«, sagte sie immer noch leise. »Die anderen sollen nichts mitkriegen.«
Er stapfte also den Berg weiter hoch, durch den Matsch, über niedrige Büsche hinweg, über Steine und vermodernde Wurzeln.
»Ich bin nicht abgestürzt.«
Er stutzte. Ihre Stimme war nur schwach zu hören, aber ihre Worte gruben sich tief in seinen Magen. Was sagte sie da?
»Ich bin gestoßen worden ...«
Jetzt blieb er wieder stehen und starrte sie an.
»Was meinst du damit?«
»Nicht anhalten!« Das war ein Befehl. »Irgendjemand hat mich in den Abgrund gestoßen.«
»Andrea. Das ist doch Quatsch. Wer sollte das denn tun?«
»Ich weiß es nicht. Es war neblig, ich stand an der Klippe und mir war klar, dass ich da nicht weitergehen konnte. Aber dann habe ich einen Stoß von hinten bekommen.«
»Vorhin hast du erzählt, Hans hätte dir helfen wollen.«
»Ja, er hat mir die Hand hingehalten, aber er hat mich dabei ganz komisch angesehen.«
Toms Kopfschmerzen wurden rasend. »Glaubst du etwa, er wollte dich abstürzen lassen?«
»Herrgott, ich weiß es doch nicht. Das war alles ganz seltsam.« Sie lief einen Moment schweigend hinter ihm her. »Hier gibt es doch diese Geister ...«
»Ach, hör mir auf mit den Geistern. Das sind Legenden, nichts anderes. Halluzinationen, du hast vermutlich zu wenig getrunken, lange nichts gegessen. Ich habe mir vor dem Plateau auch wieder so etwas eingebildet. Die Höhe ist vermutlich Schuld daran ...«
»Du hast ihn also wieder gesehen?«, wollte Andrea wissen.
Er blieb stehen, um sie anzusehen. »Sagen wir besser: Ich habe geglaubt, ihn zu sehen.«
In diesem Moment kam Peter gebückt auf sie zu, zischte ihnen ein »Auf den Boden!« zu und ließ sich selber in den Dreck fallen. Tom und Andrea taten es ihm gleich, wenn sie auch nicht wussten, warum.
»Was ist passiert?«, flüsterte Tom.
»Sie sind da. Nicht weit hinter uns!«, gab Peter zurück.
»Wer?«
»Die Rebellen. Ich habe sie gesehen. Sie haben sich aufgeteilt. Eine Gruppe ist auf dem Plateau, das wir vor einer halben Stunde verlassen haben, die anderen kommen von der Seite auf uns zu.«
Er wies mit der Hand auf einen Hügel schräg vor ihnen.
»Haben sie uns gesehen?«, fragte Andrea.
»Ich weiß es nicht.«
Sie kauerten auf dem Boden, Tom hatte den Gestank des Schlamms direkt in der Nase und versuchte etwas in der Richtung zu erkennen, in die Peter gewiesen hatte. Und tatsächlich bewegte sich da etwas. Tom musste seine Augen zusammenkneifen, um Genaueres zu erkennen. Eine Gruppe Männer arbeitete sich den Berg hinauf, ziemlich genau auf sie zu. Sie mussten etwas tun. Dringend.
Doch bevor er weiter darüber nachdenken konnte, ergriff Peter das Wort: »Ich werde sie ablenken. Ihr bleibt hier. Bewegt euch nicht vom Fleck.«
Im nächsten Moment war er auch schon verschwunden. Tom wollte ihm nachgehen, aber Andrea hielt ihn zurück. »Bleib hier. Du hast doch gehört, was er gesagt hat.«
»Aber ...«
»Er wird schon wissen, was er tut.«
Also blieb Tom liegen. Wo waren Hans und Imarika? Hatte einer der beiden versucht, Andrea die Klippe herunterzustürzen? Wahrscheinlicher war, dass Andrea sich das eingebildet hatte. In dem Nebel war das sicher möglich. Die Zeit verstrich zäh, Tom verlor das Gefühl dafür, wie lange sie untätig im Morast lagen. Er hätte gerne die Augen geschlossen, um ein wenig zu schlafen.
Aus einem tranceähnlichen Zustand schrak Tom hoch, als er plötzlich lautes Geschrei von den Rebellen
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